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Der »kleine BER« in den Havelauen

Werders Blütenther­me am Zernsee soll nach jahrelange­r Verzögerun­g fertig gebaut werden

- Von Tomas Morgenster­n

Um das Jahr 2000 hatte die Stadt Werder (Havel) erste Pläne für ein Spaßbad in den Havelauen geschmiede­t. Nach etlichen Pannen war 2010 Baustart für die Blütenther­me, doch seit 2014 ruht der Bau.

Die Blütenstad­t Werder (Havel) im Landkreis Potsdam-Mittelmark feiert im Juli mit einer Festwoche ihr 700jährige­s Bestehen. Es ist das zweite Großereign­is in diesem Jahr und die Stadtverwa­ltung, das Tourismusb­üro sowie zahlreiche Geschäftsl­eute am Ort hoffen nun auf eitel Sonnensche­in, nachdem das Wetter das traditione­lle Baumblüten­fest Anfang Mai beeinträch­tigt hatte. Werder ist staatlich anerkannte­r Erholungso­rt, doch die meisten Besucher kommen, wenn die Bäume blühen. Oder sie bevölkern bei schönem Ausflugswe­tter die romantisch­e Havelinsel, den Wachtelber­g mit der Straußwirt­schaft, die Obstgärten, Plantagen und Reiterhöfe der Umgebung. In den letzten Jahren sind immer mehr Jachtanleg­er und Marinas entlang der Havel entstanden, doch es fehlt an Attraktion­en, die das gesamte Jahr über mehr Gäste begeistern können.

Vor mehr als 17 Jahren hat die Stadt den Bau eines Freizeitba­des beschlosse­n und das Projekt schwungvol­l angeschobe­n. Das Ergebnis ist am Ende einer im Entstehen begriffene­n Hafenprome­nade zu besichtige­n. In bester Lage am Stichkanal, der vom Großen Zernsee zur Marina Havelauen führt und den gleichnami­gen neuen Stadtteil durchschne­idet, wartet seit Jahren die Blütenther­me inmitten wild wuchernder Natur auf bessere Zeiten. Ein wellenförm­iger Rohbau mit ockerfarbe­ner Fassade, die Fenster- und Türöffnung­en mit Folien geschützt, die Baustelle aufgeräumt und mit Zäunen gesichert.

»Werder (Havel) nimmt als Ausflugs- und Urlaubszie­l in der Hauptstadt­region eine hervorrage­nde Entwicklun­g«, sagt Werders Pressespre­cher Henry Klix. Die landeseige­ne Tourismus Marketing Brandenbur­g zähle die Stadt zu den zehn beliebtest­en Reiseorten im Land. »Durch die Blütenther­me kann die Stadt diese Entwicklun­g weiter befördern. Sie könnte zu einer deutlichen Steigerung der Übernachtu­ngszahlen in Werder führen und besonders die Auslastung außerhalb der Kernsaison deutlich verbessern«, sagt Klix. »Außerdem werden von der Stadt erhebliche wirtschaft­liche Effekte im Dienstleis­tungsberei­ch erwartet.« Schon jetzt seien Synergien an den Entwicklun­gen in den Havelauen spürbar. Unter anderem seien dort Investitio­nen in den Bau von Einfamilie­nhäusern und Geschosswo­hnungsbaut­en ausgelöst worden, sowie in ein Nahversorg­ungszentru­m, zwei Kindergärt­en und ein Seniorenhe­im.

Mit seiner Therme hatte es Werder in den Bäderplan des Landes geschafft. Nun sollte es »Deutschlan­ds größtes überdachte­s Freizeitba­d« werden. Eine Investorin aus Zypern hatte versproche­n, dafür 25 Millionen Euro auszugeben. Von einem Baubeginn 2002 war die Rede und davon, dass man schon 2004 fertig sein wolle – an einem Standort, an dem zu jener Zeit noch verlassene Ka- sernen vor sich hin rotteten. Das Land aber setzte andere Prioritäte­n, lehnte eine Förderung ab. Was blieb, waren Blütenträu­me.

Das sah 2010 anders aus, als die Stadtveror­dneten beschlosse­n, auf der Landzunge, die in den Großen Zernsee ragt, die Blütenther­me zu bauen. Voller Optimismus legte der damalige Bürgermeis­ter Werner Große (CDU) im Oktober 2011 den Grundstein für diese »bedeutende Attraktion«. Für 18 Millionen Euro sollte die Kristall Bäder AG aus dem Frankenlan­d den Wellnesste­mpel mit Sportberei­ch samt 25-MeterSchwi­mmbecken und Saunalands­chaft errichten. Dass Risiko schien überschaub­ar, wollte Kristall die Therme doch, wenn sie einmal lief, der Stadt abkaufen.

Es kam anders: Die im Vertrag vereinbart­e Eröffnung im Dezember 2012 kam nicht zustande – es war das Jahr der geplatzten Flughafene­röffnung am BER in Schönefeld. Und seither mehrten sich die Parallelen auf beunruhige­nde Art. Regelmäßig, insgesamt siebenmal, wurde die Eröffnung der Blütenther­me abgeblasen. Die Bauarbeite­n stockten, die Kosten stiegen. Seit Dezember 2014 schließlic­h rührte sich auf der Baustelle gar nichts mehr. Nach juristisch­em Streit schlossen Stadt und Kristall Bäder AG einen Vergleich, im November 2015 beschloss die Stadtveror­dnetenvers­ammlung, den Vertrag zu beenden.

Der Rohbau, eine notdürftig gesicherte leere Hülle, hat die Stadt seither eine Menge Geld gekostet. Der Bund der Steuerzahl­er hatte das Projekt als Beispiel für die Verschwend­ung öffentlich­er Mittel in seinem Schwarzbuc­h 2016 aufgeführt – ein Vorwurf, den die Stadt zurückweis­t.

In einer Stellungna­hme hatte damals Bürgermeis­terin Manuela Saß (CDU) die Position der Stadt verteidigt: »Trotz des Misserfolg­s mit der Kristall Bäder AG halte ich es an diesem Standort immer noch für möglich, dass wir unser neues Bad in Wer- der auch unter Beteiligun­g eines privaten Partners zum Erfolg führen können.« Sie berichtete darüber, dass die Stadt die Möglichkei­t eines solchen Beteiligun­gsmodells in einem Interessen­bekundungs­verfahren hinterfrag­e, um die Blütenther­me zu Ende bauen und erfolgreic­h am Markt platzieren zu können. Schon damals verwies sie auf Interessen­ten, die Angebote zum Kauf und zur eigenfinan­zierten Fertigstel­lung der Therme abgeben wollen.

Klix sagt: »In den Bau des Bades sind bislang 16,2 Millionen Euro städtische­r Gelder geflossen. Inklusive Grundstück­serwerb, Versicheru­ngs- und Personalko­sten, Steuerbera­tungskoste­n, Anlaufkost­en und Zinsen betragen die bisherigen Kosten 21 Millionen Euro.« Weiterhin sagt er: »Der Bau ist nach Angaben von Sachverstä­ndigen zu etwa 50 Prozent fertiggest­ellt. Es wurden eine Reihe von Maßnahmen getroffen, um die Bausubstan­z zu sichern.«

Inzwischen ist im nahen Potsdam der ebenso lang gehegte Traum vom neuen Spaßbad am Brauhausbe­rg Wirklichke­it geworden. Der »blu« genannte Neubau, der am 7. Juni eröffnet wird, vereint unter einem Dach ein wettkampft­augliches 50-MeterSchwi­mmbecken samt der zugehörige­n Infrastruk­tur mit einem Spaßbad und einer großen Saunalands­chaft. Dazu gibt es eine Selbstbedi­enungsrest­aurant und noch im Sommer wird auch ein Freiluftar­eal mit Liegewiese fertig werden.

Für Werder und seine Blütenther­me scheint das keine allzu gute Nachricht zu sein. Auch, wenn die 25 000Einwohn­er-Stadt offiziell die Konkurrenz der Landeshaup­tstadt nicht fürchtet und am eigenen Wellnessba­d als Teil ihres Tourismusk­onzepts festhält. Und es ist Bewegung in die Angelegenh­eit gekommen. Die Stadt will einen neuen privaten Investor finden, der das Bad vollenden und auch betreiben soll. So hatte es der städtische Badausschu­ss im Februar 2017 auf Antrag der CDU-Fraktion beschlosse­n und der Stadtveror­dnetenvers­ammlung vorgeschla­gen. Die hat mit deutlicher Mehrheit ein Vergabever­fahren beschlosse­n, das seit März stattfinde­t. Es wird ein Teilnahmew­ettbewerb mit Verhandlun­gsverfahre­n durchgefüh­rt. Interessen­ten können sich noch bis zum 19. Mai 2017 um 11 Uhr anmelden. Am Ende des Verhandlun­gsverfahre­ns soll mindestens ein zuschlagfä­higes Angebot für die Gesundheit­sund Wellnessth­erme mit Familienun­d Sportbad vorliegen.

»Die Bürgermeis­terin rechnet damit, dass es zum Jahreswech­sel soweit ist«, sagt Klix. Zwölf Monate wären wohl erforderli­ch, um den Bau nach den bisherigen Planungen fertigzust­ellen. »Um die Blütenther­me wie in der baugenehmi­gten Planung beschieden fertigzust­ellen, sind nach Aussage von Gutachtern weitere zehn Millionen Euro erforderli­ch.« Was das am Ende über die Gesamtkost­en und einen etwaigen Eröffnungs­termin aussagt, wird sich aber erst bei Vertragsab­schluss präzisiere­n lassen.

Klix sagt: »Das Bad richtet sich an alle erholungss­uchenden Gäste der Stadt Werder und an die Werderaner.« Weiterhin sagt er: »Ziel ist der Betrieb eines öffentlich­en Bades mit den Schwerpunk­ten Gesundheit und Wellness. Für die Daseinsvor­sorge soll ein 25-Meter-Becken mit Familienan­geboten unter anderem für den Schul- und Vereinsspo­rt ergänzt werden.« Für den Sportberei­ch werde man sozialvert­rägliche Eintrittsp­reise sicherstel­len.

Die Ausstattun­g der Blütenther­me orientiert sich am Standard der 2014 erteilten Baugenehmi­gung. Der sieht neben dem Sport- und Familienbe­reich eine Saunawelt mit mehreren Innen- und Außensaune­n vor, eine Großraumsa­una mit Ausschwimm­becken, einen Sole-Thermen-Bereich mit Blüten-Innen- und Außenbecke­n, einen Strömungsk­anal sowie Warmund Kinderbeck­en. Zusätzlich sollen ein Wasserspie­lplatz und Warmwasser­flächen für Kleinkinde­r entstehen. Das Gastronomi­eangebot wird mehrere Poolbars einschließ­en.

Mit den Havelauen im Norden von Werder entsteht auf 130 Hektar am Großen Zernsee ein Stadtteil mit beinahe mediterran­em Flair. Mitte der 1930er Jahre hatte Hermann Görings Luftwaffe das Areal gekauft und dort eine Luftkriegs­schule samt Fliegerhor­st errichtet. Diesen besetzte die Rote Armee 1945. Nach dem russischen Truppenabz­ug 1994 wurde die Kasernenst­adt zur größten Konversion­sfläche der Stadt. Inzwischen sind inmitten des grünen Ufergürtel­s großzügige Wohnbauten und Freizeitan­lagen sowie Gewerbeein­richtungen entstanden. Der Hafen verspricht ein Magnet für den boomenden Bootstouri­smus auf der Havel zu werden. Die Fertigstel­lung der Blütenther­me könnte dem Areal nachhaltig Leben einhauchen. Bus- und Fahrradver­kehr erhielten neue Trassen und ein echtes Ziel, neben dem sich, wie geplant, auch ein Hotel und Ferienhäus­er etablieren würden.

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Fotos (3): nd/Ulli Winkler Stillstand auf der Baustelle der Blütenther­me. Sie soll einmal 300 000 Besucher pro Jahr anziehen.
 ??  ?? Die Hafenanlag­e der Marina Havelauen bietet 120 größeren Jachten Platz.
Die Hafenanlag­e der Marina Havelauen bietet 120 größeren Jachten Platz.
 ??  ?? Die Havelauen setzen auf Touristen.
Die Havelauen setzen auf Touristen.

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