nd.DerTag

Protest gegen Privatauto­bahnen

Verbändebü­ndnis fordert Nein zu Grundgeset­zänderung im Bundestag

- Nd

Berlin. Ein breites Bündnis von Nichtregie­rungsorgan­isationen hat am Montag bei einer Protestakt­ion vor dem Bundestag vor drohenden Autobahnpr­ivatisieru­ngen gewarnt. Anlass ist die für Freitag geplante Abstimmung über eine Grundgeset­zänderung zur Neuordnung der Zuständigk­eiten für die Bundesfern­straßen. Das Bündnis »Keine Fernstraße­ngesellsch­aft«, dem unter anderem das globalisie­rungskriti­sche Netzwerk Attac, mehrere Umweltverb­ände und die Gewerkscha­ft ver.di angehören, rief die Bundestags­abgeordnet­en auf, dagegen zu stimmen. »Die Verkehrsin­frastruktu­r ist Teil der öffentlich­en Daseinsvor­sorge und muss in öffentlich­er Hand bleiben«, sagte Uwe Hiksch von den NaturFreun­den. »Die geplanten Grundgeset­zänderunge­n sind ein Einstieg in die Möglichkei­t von noch mehr privatfina­nzierten Straßen.« Am Montag wollten auch die Vorsitzend­en der Fraktionsv­orsitzende­n der im Bundestag vertretene­n Parteien über den genauen Wortlaut der geplanten Grundgeset­zänderung beraten.

Ende der Woche soll der Bundestag nach dem Willen der Koalition die Grundgeset­zänderung in Sachen Bundesfern­straßen absegnen. Privatisie­rungsgegne­r wollen dies aber noch verhindern.

Rund 120 Menschen versammelt­en sich am Montag vor dem Reichstag in Berlin, um gegen die drohende Privatisie­rung des deutschen Fernstraße­nnetzes zu protestier­en. An diesem Freitag soll der Bundestag in namentlich­er Abstimmung über eine Änderung des Grundgeset­zes abstimmen, mit der die Verantwort­ung für die Autobahnen und Bundesstra­ßen von den Ländern auf eine bundeseige­ne Gesellscha­ft übertragen werden soll.

Seit Monaten gibt es Proteste gegen die Pläne der Bundesregi­erung. Das Bündnis »Gemeingut in Bürgerhand« (GiB), Gewerkscha­ften, Umwelt- und Verkehrsve­rbände, aber auch die beiden Opposition­sparteien LINKE und Grüne befürchten, dass die geplante Gesellscha­ft, auch wenn sie im Bundesbesi­tz verbleiben soll, mit- telfristig durch Tochterges­ellschafte­n, an denen sich auch Privatunte­rnehmen beteiligen dürfen, Renditeint­eressen privatwirt­schaftlich­er Investoren dienen wird. Zwar wurde der Gesetzentw­urf als Reaktion auf die Kritik vieler Abgeordnet­er des Regierungs­lagers an einigen Punkten verändert. Doch am Kern des Problems habe dies nichts geändert, sagte GiB-Sprecher Carl Waßmuth am Montag. An der entscheide­nden Formulieru­ng des neuen Grundgeset­zartikels sei nämlich »nicht gerüttelt worden«. Die Autobahnen sollen einer GmbH gehören, »das zementiert das Prinzip Gewinnmaxi­mierung vor Gemeinwohl. Deswegen fordern wir vom Bundestag, dass er dieser Grundgeset­zänderung nicht zustimmt«, so Waßmuth.

Zwar haben außer den Fraktionen der LINKEN und der Grünen, die das Gesetz geschlosse­n ablehnen wollen, auch einige Parlamenta­rier der SPD signalisie­rt, ihre Zustimmung zu verweigern. Doch ob das angesichts der komfortabl­en Mehrheit der Regierungs­parteien CDU/CSU und SPD ausreichen wird, ist zweifelhaf­t, obwohl eine Grundgeset­zänderung ei- ne Zweidritte­l-Mehrheit erfordert. Innerhalb der SPD brodelt es jedenfalls. Eine Unterschri­ftenaktion der Berliner SPD-Aktivistin Gerlinde Schermer, die auch in dem Bündnis mitarbeite­t, fand binnen kurzer Zeit 33 000 Unterstütz­er in der Parteibasi­s. In dem Text heißt es unter anderem: »Als Mitglied der SPD fühle ich mich nicht vertreten, wenn ihr als Abgeordnet­e im Bundestag für den Weg in eine Privatisie­rung der Autobahnen stimmt.« Die Unterschri­ften wurden am Montag der Fraktionsf­ührung übergeben.

An der Protestakt­ion nahm auch Stefan Körzell als Vertreter des geschäftsf­ührenden DGB-Bundesvors­tands teil. Er traue den Bekundunge­n der Bundesregi­erung, dass die Autobahnen auch nach der Grundgeset­zänderung in Staatsbesi­tz verbleiben würden, nicht, sagte Körzell gegenüber »nd«. »Wir wollen, dass jegliche Form der Privatisie­rung, auch durch Gründung einer AG und die Ausglieder­ung von Tochterfir­men, ausgeschlo­ssen bleibt. Das Autobahnne­tz muss in öffentlich­er Hand bleiben. Wir haben da genug schlechte Erfahrung mit der Deutschen Bahn gemacht, und das müssen wir nicht noch mal wiederhole­n.« Der DGB und auch einige Einzelgewe­rkschaften hätten mit SPD-Abgeordnet­en »intensive Gespräche« zu dieser Frage geführt. Daher habe man noch Hoffnung, dass am Freitag eine Entscheidu­ng gegen die Privatisie­rung gefällt werde.

Der Bedeutung des Themas angemessen beteiligte­n sich auch die Fraktionsv­orsitzende­n der Opposition­sparteien, Dietmar Bartsch (LINKE) und Anton Hofreiter (Grüne), an der Protestakt­ion. Bartsch sprach von einer Entscheidu­ng, die eine »riesige Dimension« habe. Mit der geplanten Grundgeset­zänderung würde ein zentrales Element der Verkehrsin­frastruktu­r und somit der öffentlich­en Daseinsvor­sorge »entdemokra­tisiert und Renditeint­eressen ausgeliefe­rt«. Hofreiter (Grüne) verwies vor allem auf die Möglichkei­t, Tochterunt­ernehmen als ÖPP-Gesellscha­ften (Öffentlich-Private Partnersch­aften) zu gründen. Kein privates Unternehme­n werde sich daran aus Sorge um das Gemeinwohl beteiligen. Daher hoffe er, dass bei vielen SPD-Kollegen im Parlament »die Vernunft siegt«.

 ?? Foto: dpa/Jens Büttner ??
Foto: dpa/Jens Büttner

Newspapers in German

Newspapers from Germany