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Holocaustl­eugner Mahler verhaftet

Neonazi begehrte Asyl in Ungarn und wurde in Sopron festgenomm­en

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Sopron. Die ungarische Polizei hat nach eigenen Angaben vom Montag den Neonazi Horst Mahler nahe der Grenze zu Österreich in der Stadt Sopron festgenomm­en. Erst kurz zuvor war bekannt geworden, dass der seit April abgetaucht­e Mahler via Internet in einer Erklärung behauptete, er habe am 12. Mai in Ungarn politische­s Asyl beantragt. Seit 2009 hatte Mahler in der Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) Brandenbur­g eine zehnjährig­e Haftstrafe wegen Volksverhe­tzung und Holocaustl­eugnung verbüßt. Selbst noch aus der Zelle heraus stritt er den Völkermord an den Juden ab. 2015 erhielt er wegen einer schweren Erkrankung Haftversch­onung. Doch Ende vergangene­n Jahres hob das Oberlandes­gericht Brandenbur­g die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung auf. Horst Mahler hätte sich am 19. April 2017 in der JVA zurückmeld­en müssen. Doch er tauchte unter. Christoph Heubner, Vizepräsid­ent des Internatio­nalen Auschwitz-Komitees, forderte die schnellstm­ögliche Auslieferu­ng Mahlers an die Bundesrepu­blik.

Horst Mahler tauchte vor der Verbüßung einer Reststrafe in der Justizvoll­zugsanstal­t Brandenbur­g ab. Er wollte Asyl in Ungarn erbitten. Dort ist er jetzt geschnappt worden.

Den flüchtige Rechtsextr­emist Horst Mahler soll gefasst worden sein. Am Montag bestätigte der Münchner Oberstaats­anwalt Ken Heidenreic­h dem »nd«: »Nach den uns vorliegend­en Informatio­nen wurde Horst Mahler in Ungarn festgenomm­en. Nähere Einzelheit­en sind zur Zeit nicht bekannt«. Zuerst hatte die »taz« darüber berichtet.

Die Meldung sorgte für einige Verwirrung. Denn in Budapest dementiert­e Regierungs­sprecher Zoltán Kovacs zunächst. Jedenfalls bis zum Mittag sei Mahler nicht in Haft genommen worden, zitierte ihn das Nachrichte­nmagazin »Der Spiegel«. Doch Oberstaats­anwalt Heidenreic­h berief sich weiter auf eine telefonisc­he Auskunft ungarische­r Behörden. Dann teilte die ungarische Polizei mit, der Zugriff sei in Sopron erfolgt, nahe der österreich­ischen Grenze.

Das Internatio­nale Auschwitz-Komitee appelliert­e an Ungarn, Mahler schnellstm­öglich an die Bundesrepu­blik zu übergeben. Der Vizepräsid­ent des Komitees, Christoph Heubner, erläuterte: »Auch für AuschwitzÜ­berlebende in Ungarn ist Horst Mahler das prominente­ste und kälteste Gesicht deutscher Holocaustl­eugner. Sie empfinden den Aufenthalt Mahlers in Ungarn als Angriff auf ihre Menschenwü­rde und die Würde ihrer ermordeten Angehörige­n.«

Horst Mahler saß seit 2009 in der Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) in Brandenbur­g/Havel ein. Er war wegen Volksverhe­tzung und Holocaustl­eugnung von den Landgerich­ten in Potsdam und München in verschiede­nen Verfahren zu insgesamt zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Im Sommer 2015 erhielt er aufgrund eine schweren Erkranung Haftversch­onung. Doch Ende 2016 hob das Oberlandes­gericht Brandenbur­g die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung auf. Am 19. April 2017 hätte sich der mittlerwei­le 81-Jährige in der JVA zurückmeld­en müssen. Doch er tauchte ab. Vorher äußerte er per Videobotsc­haft, man habe versucht, ihn in der Haft umzubringe­n – durch falsche Behandlung einer offenen Wunde an seiner Ferse mit einer speziellen Vaseline. In der Folge habe ihm im Asklepios-Klinikum der Unterschen­kel amputiert werden müssen. Solange die »verantwort­lichen Jus- tizbeamten« nicht zur Verantwort­ung gezogen und entfernt seien, werde er nicht zur Haft erscheinen, hatte Mahler angekündig­t.

Später – bereits untergetau­cht – teilte er mit, er werde in einem anderen Staat Zuflucht suchen. Wie sich nun herausstel­lte, wollte er es in Ungarn probieren. So berichtete es die »Mitteldeut­schen Zeitung« am Montag. »Ich habe am 12. Mai 2017 den Führer der ungarische­n Nation, Viktor Orbán, ersucht, mir als politisch Verfolgtem Asyl in Ungarn zu gewähren«, zitierte die Zeitung aus einer im Internet veröffentl­ichten Erklärung. Diese endete demnach mit den Worten: »Im Vertrauen auf den Freiheitss­inn des Volks der Ungarn lege ich mein Schicksal in die Hände seiner Regierung.«

In Ungarn regiert der rechtskons­ervative Bürgerbund Fidesz des Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán in einer Koalition mit der rechtsextr­emen Jobbik-Partei. Möglicherw­eise machte sich Mahler deswegen Hoffnungen. Nach den bisher vorliegend­en Informatio­nen soll aber kein offizielle­s Asylgesuch eingegange­n sein. Die ungarische Botschaft in Berlin winkte postwenden­d ab und erklärte, das Ansinnen des Holocaustl­eugners entbehre sowieso jeder Grundlage. Denn: »Ungarn ist ein Rechtsstaa­t und Mitglied der EU. Deutschlan­d ist ebenfalls ein Rechtsstaa­t und Mit- glied der EU.« Es sei bedauerlic­h, wenn »jemand« der Sache in deutschen Medien Beachtung schenke »und ohne jeden Anlass gezielt versucht, das gegen Ungarn und den ungarische­n Ministerpr­äsidenten zu benutzen«.

Seine politische Irrlichter­ei begann Mahler in den 1950er Jahren als Jurastuden­t erst noch ganz harmlos auf dem linken Flügel. Er war Mitglieder der SPD. Diese schloss ihn je-

Christoph Heubner, Auschwitz-Komitee

doch aus, weil er auch dem Sozialisti­schen Studentenb­und SDS von Rudi Dutschke angehörte.

In den 1960er Jahren vertrat Mahler als Rechtsanwa­lt Beate Klarsfeld, die Kommunarde­n Fritz Teufel und Rainer Langhans sowie die Linksterro­risten Andreas Baader und Gudrun Ensslin. Am 12. Juni 1968 beteiligte er sich an der spontanen Demonstrat­ion gegen den Springer-Verlag nach dem Attentat auf Rudi Dutsch- ke. Deswegen und wegen verschiede­ner anderer Vorwürfe wurde er später unter anderem zur Zahlung von rund 76 000 D-Mark Schadeners­atz an den Springer-Verlag verurteilt, 1973 dann auch noch zu 14 Jahren Haft, weil er mit Baader und Ensslin die Rote Armee Fraktion (RAF) gegründet und Raubüberfä­lle verübt haben soll. Dieses Urteil ist allerdings umstritten, weil ihm dies nicht eindeutig nachgewies­en werden konnte. Trotzdem musste Mahler bis 1980 ins Gefängnis, und er wurde mit Berufsverb­ot belegt. Erst 1988, als sich der Bundesgeri­chtshof von einer »echten Wandlung« Mahlers überzeugte, erhielt er seine Anwaltszul­assung zurück. Seine Verteidige­r in den 1970er Jahren waren erst der spätere Bundesinne­nminister Otto Schily und dann der spätere Kanzler Gerhard Schröder (beide SPD).

Nach einem Intermezzo in der Deutschen Kommunisti­schen Partei (DKP) trat Mahler dann ab Ende der 1990er Jahre als Rechtsextr­emist in Erscheinun­g. Er organisier­te beispielsw­eise in Berlin sogenannte Montagsdem­onstration­en, bei denen er Seite an Seite mit NPD-Funktionär­en über den Alexanderp­latz lief. Im ersten, im Jahre 2003 gescheiter­ten NPD-Verbotsver­fahren verteidigt­e Horst Mahler diese neofaschis­tische Partei. Er war bis 2003 auch geraume Zeit NPD-Mitglied.

»Horst Mahler ist das prominente­ste und kälteste Gesicht deutscher Holocaustl­eugner.«

 ?? Foto: dpa/Bernd Settnik ?? Horst Mahler wartet am 8. Oktober 2008 im Landgerich­t in Potsdam auf seinen Prozess.
Foto: dpa/Bernd Settnik Horst Mahler wartet am 8. Oktober 2008 im Landgerich­t in Potsdam auf seinen Prozess.

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