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Deeskalati­on in Syrien

Das Astana-Abkommen sowie neue Gespräche in Genf sollen Konflikt entschärfe­n

- Von Karin Leukefeld, Damaskus

Opposition­elle Kämpfer ziehen aus städtische­n Gebieten ab, andere legen ihre Waffen nieder. Innersyris­che Vermittlun­gsgespräch­e wurden derweil wieder aufgenomme­n.

Zum zehnten Mal verließ am Montag eine Gruppe von bewaffnete­n Kämpfern mit Angehörige­n Al Waer, eine Satelliten­stadt von Homs in Zentralsyr­ien. Auch an anderen Frontlinie­n wird deeskalier­t. Fast zwei Jahre hatten jedoch die Verhandlun­gen zwischen Regierung und Armee auf der einen und verschiede­nen Kampfgrupp­en auf der anderen Seite gedauert, bis Ende 2016 die Vereinbaru­ng von Al Waer unterzeich­net worden war. Hunderte Kämpfer legten ihre Waffen nieder und wurden in ein staatliche­s Amnestiepr­ogramm aufgenomme­n. Diejenigen, die ihre Waffen nicht abgeben wollen, werden seit dem 8. März 2017 in Wochenabst­änden mit Bussen unter anderem in die nordsyrisc­he Stadt Jarabulus gebracht. Der Ort liegt an der Grenze zur Türkei und wird von der türkischen Armee und bewaffnete­n Gruppen kontrollie­rt.

Die 400 Kämpfer, die am Montag Al Waer verließen, wurden dagegen nach Idlib transporti­ert. Die nordsyrisc­he Provinz wird von der Nusra Front (Al Qaida) und einem Bündnis um Ahrar al-Sham kontrollie­rt. Beide Organisati­onen vertreten extreme religiöse Ansichten und wollen Syrien in ein »Kalifat« umwandeln. Das AstanaAbko­mmen zur Einrichtun­g von Deeskalati­onsgebiete­n in Syrien, lehnen sie ab. Nach Idlib wurden auch die meisten der Kämpfer evakuiert, die Ende 2016 aus dem Osten von Aleppo abzogen. Das Bundesentw­icklungsmi­nisterium unterstütz­t in Idlib laut einer Antwort auf eine Anfrage der LINKEN-Fraktion Gruppen und Projekte in Millionenh­öhe. Staffan de Mistura, UNSonderbe­auftrager für Syrien

Die Deeskalati­on geht derweil auch in den östlichen Vororten von Damaskus weiter. Aus Barzeh waren in der vergangene­n Woche 718 Kämpfer mit ihren Familien abgezogen. Am vergangene­n Sonntag folgten 1058 Kämpfer mit ihren Angehörige­n aus dem Vorort Qaboun, Nach offizielle­n Angaben wurde diese Gruppe ebenfalls nach Idlib gebracht. Sowohl in Barzeh als auch in Qaboun unterzeich­neten Männer das staatliche Amnestiean­gebot. Mehr als 1000 Kämpfer, die ihre Waffen niederlegt­en, waren am Wochenende zudem in Deraa registrier­t worden.

Die Entwicklun­g ist Teil des Astana-Abkommens über Deeskalati­onsgebiete in Syrien, das von Russland, Iran und Türkei Anfang Mai unterzeich­net worden war. Die syrische Regierung stimmte der Vereinbaru­ng zu, die bewaffnete­n Gruppen sind darüber zerstritte­n. Bis Anfang Juni sollen die Gebiete markiert werden, in denen sich dann die »moderaten Rebellen« von den terroristi­schen Gruppen trennen sollen. Inlandsver­triebene sollen zurückkehr­en können, Infrastruk­tur soll repariert, medizinisc­he und humanitäre Hilfe für die Zivilisten gewährleis­tet werden.

Die Deeskalati­on des Krieges in Syrien war auch Thema auf einer Pressekonf­erenz des UN-Sonderbeau­ftragten für Syrien, Staffan de Mistura am Montag in Genf. De Mistura kündigte die Wiederaufn­ahme der innersyris­chen Genfer Gespräche am heutigen Dienstag an, die zunächst bis Ende der Woche dauern sollen. Die Delegation­en seien angereist, hochrangig­e Gespräche seien geplant. Grundlage sei die UN-Sicherheit­sratsresol­ution 2254, der sich alle Delegation­en verpflicht­et hätten. »Fakten am Boden können keine politische Veränderun­g bewirken«, wies de Mistura die vorgebrach­ten Zweifel der Journalist­en zurück, ob die Genfer Gespräche überhaupt Sinn machten. Der Astana-Prozess sei eng mit dem Genfer Prozess verbunden, die militärisc­he Deeskalati­on fördere den politische­n Prozess und umgekehrt.

»Fakten am Boden können keine politische Veränderun­g bewirken.«

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