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Justiz prüft VW-Betriebsra­tsbezüge

Erhielt der oberste Arbeitnehm­ervertrete­r zu viel Geld? / Ermittlung­en gegen Topmanager

- Von Hagen Jung

Hat der VW-Konzern seinem Betriebsra­tschef Bernd Osterloh zu hohe Bezüge gezahlt? Das untersucht die Staatsanwa­ltschaft. Sie ermittelt gegen mehrere VW-Manager wegen Verdachts auf Untreue.

Wieder einmal hat die Justiz Europas größten Automobilh­ersteller im Visier. Diesmal soll nicht etwa zu viel Abgas aus dem Dieselausp­uff entwichen, sondern zu viel Geld aus der Lohnkasse des Volkswagen-Konzerns geflossen sein – und zwar auf das Konto des Betriebsra­tsvorsitze­nden Bernd Osterloh, der auch im Präsidium des VW-Aufsichtsr­ates sitzt. Nicht gegen den 60-Jährigen selbst richten sich die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig, sondern gegen ehemalige und aktive Manager der Unternehme­nsspitze. Die Bezüge, die sie dem Arbeitnehm­ervertrete­r bewilligte­n, sind nach Ansicht der Anklagebeh­örde zu hoch gewesen.

Ehe Spekulatio­nen aufkommen konnten, hat Osterloh jetzt selbst sein Einkommen offen gelegt. Rund 200 000 Euro jährlich erhalte er als Grundvergü­tung, darüber hinaus einen vom Erfolg des Unternehme­ns abhängigen Jahresbonu­s. Beides zusammen habe sich im höchsten Fall einmal auf 750 000 Euro Jahreseink­ommen summiert.

Weitaus mehr Geld hätte er als Mitglied des Vorstands verdienen können. Ende 2015 hatte ihm der Konzern einen Platz in dem Gremium angeboten – als Personalch­ef des Konzerns. Doch Osterloh verzichtet­e auf den Posten, der seinem Inhaber immerhin mehrere Millionen Euro Jahresgeha­lt verspricht.

Waren die Bezüge des obersten Arbeitnehm­ervertrete­rs bei VW gegenüber einem solch fürstliche­n Salär wirklich zu hoch? Gibt es Grenzen, sogar strafrecht­lich relevante, für die Entlohnung eines Betriebsra­tschefs? Mit dieser Frage wird sich die Staatsanwa­ltschaft wohl jetzt beschäftig­en müssen. Anlass dafür sei eine Anzeige gewesen, heißt es. Von wem sie gestellt wurde, war nicht zu erfahren. Auch gegen welche Manager sie sich konkret richtet, verschweig­t die Behörde und begründet dies mit laufenden Ermittlung­en. Laut der »Braunschwe­iger Zeitung« richten sich die Aktivitäte­n der Staatsanwä­lte gegen Personalvo­rstand Karlheinz Blessing, seinen Vorgänger Horst Neumann und auf den Personalch­ef der Marke VW, Martin Rosik, sowie dessen Vorgänger Jochen Schumm.

Die Justiz dürfte prüfen, wie diese Manager bei der Berechnung des Osterloh-Gehalts das Betriebsve­rfassungsg­esetz interpreti­ert haben. Es schreibt keine expliziten Obergrenze­n vor, sondern besagt nur, dass Vergütunge­n für die Betriebsra­tsmitglied­er nicht geringer sein dürfen als der Lohn »vergleichb­arer Arbeitnehm­er mit betriebsüb­licher berufliche­r Entwicklun­g«. Der gelernte Industriek­aufmann Osterloh soll zu Beginn seiner Arbeit als Betriebsra­tsvorsitze­nder vor zwölf Jahren etwa 6500 Euro Monatsgeha­lt bekommen haben.

Mit Blick auf die Fragen zu Osterlohs Bezügen erinnerten Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil und Wirtschaft­sminister Olaf Lies (beide SPD) jetzt vor der Presse daran, dass Industrie und Gewerkscha­ften, aber auch zahlreiche Arbeitsrec­htler seit längerem konkretere Regelungen zur Vergütung von Betriebsrä­ten fordern. Das Betriebsve­rfassungsg­esetz müsse hier »größere Klarheit herstellen«.

Grundsätzl­ich seien für eine Interessen­vertretung in einem internatio­nalen Großkonzer­n wie Volkswagen »Fähigkeite­n erforderli­ch, die mit den an Manager gestellten Anforderun­gen vergleichb­ar sind«, betonten die Politiker. »Nach allgemeine­r Einschätzu­ng« sei die betrieblic­he Interessen­vertretung bei Volkswagen in den vergangene­n Jahren besonders erfolgreic­h gewesen. »Dies ist sicher auch und gerade auf die Arbeit von Bernd Osterloh zurückzufü­hren«, unterstric­hen Weil und Lies.

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