nd.DerTag

Shopping auf Wolfsburge­r KZ-Gelände?

Wo Häftlinge litten, soll ein Einkaufsze­ntrum entstehen

- Von Hagen Jung

Die Angst ging um, wenn SSHauptsch­arführer Johannes Pump wieder einmal betrunken durchs Konzentrat­ionslager auf dem Laagberg bei Wolfsburg schlendert­e und seinen Holzknüppe­l schwang. Jeder Häftling, dem der KZ-Leiter begegnete, musste dann damit rechnen, von dem Mann in der gefürchtet­en Uniform grundlos zusammenge­schlagen zu werden. Prügel und Schikanen mancher Art waren Alltag für die rund 800 Männer, die in jenem Lager zusammenge­pfercht worden waren und zur Nazizeit Zwangsarbe­it für das nahe Volkswagen­werk leisten mussten. Dort, wo sie litten und mindestens 144 von ihnen starben, rollen womöglich schon bald prall gefüllte Einkaufswa­gen beim fröhlichen Familiensh­opping.

Geschehen wird dies, sofern ein Wohngebiet nebst Einkaufsze­ntrum tatsächlic­h dort entsteht, wo einmal eine der Laagberger KZBaracken gestanden hat. Ihre Überreste wurden unlängst bei Ausschacht­arbeiten für die künftigen Neubauten entdeckt – auch für die Stadt Wolfsburg (Niedersach­sen) ein unerwartet­er Fund. Zwar war die Existenz des KZ kein Geheimnis, erinnert doch ein Gedenkstei­n daran. Aber wohl niemand hatte damit gerechnet, dass noch Sichtbares aus der Zeit des SS-Terrors auftauchen würde.

Die nun freigelegt­en Mauern gehörten zu einem der Gebäude, die zusammen das Lager Laagberg bildeten. Es war eines von fast 100 Außenlager­n des bei Hamburg gelegenen KZ Neuengamme. Gefangene aus Frankreich, den Niederland­en, Polen, Spanien und der Sowjetunio­n wurden vom Laagberg aus zu Schwerstar­beit getrieben: zumeist auf Baustellen für Projekte des VW-Werks in Wolfsburg. Am schlimmste­n hatten es dort die sowjetisch­en Häftlinge, sie mussten in der Schmiede schuften.

Als Erinnerung an die Gequälten und Ermordeten sollten die nun entdeckten Mauern stehen bleiben und nicht überbaut werden, fordern Opferverbä­nde, etwa die Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s (VVN) von der Stadt Wolfsburg. Die aber möchte die geplanten Bauprojekt­e realisiert sehen und hat angeboten, die Überreste der Baracke ein Stück weit innerhalb des ehemaligen Lagergelän­des zu verlegen und dort eine Erinnerung­s- und Bildungsst­ätte zu schaffen.

Das kritisiere­n vor allem Überlebend­e des Lagers und Hinterblie­bene der Geschunden­en. Auch dem ehemaligen VW-Chef-Historiker Manfred Grieger behagt der Vorschlag aus dem Rathaus nicht: Die Umsiedlung von Teilen eines Konzentrat­ionslagers sei einmalig und nicht angemessen. Der Ort des Todes von Menschen könne nicht einfach verlegt werden, so zitiert der NDR den Forscher.

Für den Erhalt der Fundamente plädiert auch der Präsident der »Internatio­nalen Lagergemei­nschaft des Konzentrat­ionslagers Neuengamme«, Jean-Michael Gaussot und betont: Die Überreste seien ein wichtiges Zeugnis der nationalso­zialistisc­hen Gewaltherr­schaft, bedeutsam vor allem für die pädagogisc­he Arbeit. Gaussots Vater gehörte zu jenen Häftlingen, die kurz vor Kriegsende bei der Räumung des Wolfsburge­r Lagers durch die SS ihr Leben verloren.

SS-Mann Johannes Pump und sein in Laagberg nicht weniger grausam wütender Stellvertr­eter Anton Callesen mussten sich nach dem Krieg vor der Justiz verantwort­en. Während Callesen in seiner dänischen Heimat zu lebenslang­er Haft verurteilt wurde, kam Pump »wegen Zugehörigk­eit zur SS« vor einem bundesdeut­schen Gericht mit vier Jahren Gefängnis davon.

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