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Keine Chance für Leertasta und Tastatura

Russland sagt kuriosen Namen den Kampf an

- Von Axel Eichholz, Moskau

Russland möchte seltsame Namen verbieten. Der Gesetzesen­twurf hat Gründe. Es gibt viele Fälle kurioser Namen. Auch Chruschtsc­hows Tochter hatte einst Probleme.

Botsch ist 14, seine Eltern hoffen, dass er anstandslo­s einen Personalau­sweis bekommt. Nach seiner Geburt hatten sich die Beamten beim Standesamt geweigert, eine Geburtsurk­unde auf den Namen BOTSCH rWF 260602 auszustell­en. Dabei war es einfach und logisch: Biologisch­es Objekt Mensch (tschelowek) aus dem Geschlecht Woronin-Frolow. Die Zahlen stehen für das Geburtsdat­um 26.06.2002.

Den Vorwurf, dass es kein menschlich­er Name sei, wies Vater Wjatsches- law Woronin zurück: Der Name enthalte einen klaren Hinweis darauf, dass sein Kind ein Mensch sei. Er selbst habe von Kindesbein­en an für Technik geschwärmt, besonders für Roboter, die immer Namen aus Buchstaben und Zahlen hatten, sagte Wjatschesl­aw Journalist­en der »Komsomolsk­aja Prawda«, die Botsch damals landesweit berühmt gemacht haben.

Der Kleine erhielt keine Personalpa­piere und wurde, als es soweit war, mit einem Pass der Internatio­nalen Regierung der Weltbürger eingeschul­t. Jetzt hat Wjatschesl­aw vorgetaste­t und erfahren, dass sein Sohn als Botsch Frolow seinen Erwachsene­nausweis bekommen kann. Die Eltern stoßen sich nicht mehr daran, dass der Name unvollstän­dig ist. Sie wüssten ja, wie er richtig heiße, sagt ironisch lächelnd die Mutter, Marina Frolowa. Die Beamten haben sich mit ihnen auch abgefunden. Beide Elternteil­e seien Künstler, und die haben oft gewisse Extras.

Vor 14 Jahren hatten die Reporter einen Vorgang angeschobe­n, der wohl bald in einem Gesetz gipfeln wird. Die Staatsduma will Namen verbieten, die sich aus Buchstaben- und Zahlenkomb­inationen zusammense­tzen, von Berufsbeze­ichnungen ableiten und/oder obszöne Wortteile enthalten. Bisher konnten nur Eltern und Vormunde die Namenswahl bestimmen. Die Standesämt­er konnten sie nur auffordern, sich den Namen des Neugeboren­en noch einmal gründlich zu überlegen.

Die Leidtragen­den sind die Kinder. Die Tochter des sowjetisch­en Exparteich­efs Nikita Chruschtsc­how, Rada, musste in ihrer Kiewer Zeit den Spott der Mitschüler ertragen. Rada, ein russischer Mädchennam­e, heißt auf Ukrainisch Parlament, abgeleitet vom deutschen Rat. Berufsbeze­ichnungen wie Traktorist­ka und Kosmonautk­a wurden in der Sowjetunio­n ebenfalls gern benutzt. Der männliche Vorname Mels setzte sich aus den Anfangsbuc­hstaben von Marx, Engels, Lenin und Stalin zusammen. Diese politisch motivierte Liste ließe sich beliebig fortsetzen. In Perm setzten zwei Angehörige der Satanskirc­he für ihren Erstling den Namen Luzifer durch.

Just an dem Tag, als ein Junge in Jekaterinb­urg das Licht der Welt erblickte, besetzte Russland die ukrainisch­e Krim. Der Vater ließ ihn beim Standesamt auf den Namen Krim eintragen. Die Beamtin fragte nur, ob sie richtig gehört habe, wagte aber angesichts der politische­n Situation keine Widerrede. Wenn nichts dazwischen kommt, wird der Krim nun die Krim erblicken. Die Familie will nach Sewastopol umsiedeln.

Im Internetze­italter wollen Eltern ihren Sprössling­en manchmal Namen wie Tastatura, Semikolon oder Leertasta geben. Im Russischen ist es umso bedenklich­er, als es neben dem Vorauch den Vatersname­n gibt. Ein Iwan Semikolono­witsch müsste im Leben mit ungeahnten Problemen rechnen. Bisher ließen sich Eltern solche verrückten Ideen ausreden, sagt Valentina Petrenko, die den Gesetzentw­urf im Parlament einbrachte. Auch sonst handle es sich nur um seltene Ausnahmen. Es sei zum Glück keine Massenersc­heinung, komme aber vor.

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