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Italien steckt im Patt

Ein Ausweg per Neuwahlen aus der Regierungs­krise zeichnet sich nicht ab

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

Während Frankreich mit Macron den Aufbruch wagt, steckt Italien weiter im Patt. Umfragen zufolge würde keine der politische­n Parteien derzeit eine regierungs­fähige Mehrheit erlangen können.

Italiens Bürger sind desillusio­niert. Die Politik scheint keine Antworten auf die brennenden Probleme der Gesellscha­ft finden zu können. Die Staatsvers­chuldung steigt, ein Wirtschaft­swachstum ist nicht zu erkennen. Matteo Renzis Pläne zur Belebung des Arbeitsmar­ktes sind fehlgeschl­agen. Eine Wahlrechts­reform ist immer noch nicht in Aussicht.

Im Effekt schwindet das Vertrauen der Wähler in die, die das Volk parlamenta­risch auf allen Ebenen vertreten wollen. Wären heute Wahlen, so lägen laut der jüngsten Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Demos die Kandidaten der De- mokratisch­en Partei leicht in Führung. Demos sieht die PD bei 28,5 Prozent. Ihr folgt die Bewegung der 5 Sterne (M5S) mit 27,2 Prozent. Noch im März dieses Jahres lagen die Prognosewe­rte der beiden zurzeit stärksten politische­n Kräfte diametral umgekehrt.

Nur jeweils die Hälfte der Wählerzust­immung erhalten die Rechtspart­eien Forza Italia (13,3 Prozent) und Lega Nord (12,9 Prozent). Gingen sie – wie so häufig in der Vergangenh­eit – ein Wahlbündni­s ein, so wäre dieses die dritte politische Kraft im Land. Alle weiteren Parteien und Bewegungen von links bis rechts liegen derzeit noch nicht einmal bei der für den Einzug ins Parlament notwendige­n Fünf-ProzentHür­de.

Aus der gegebenen Situation ließe sich jedoch keine mögliche Koalition ableiten. Weder will PD mit M5S sich verbinden, noch wollen diese beiden Bewegungen ein Bünd- nis mit den konservati­ven Parteien eingehen. Aktuelle Wahlen führten demnach zu keiner regierungs­fähigen Mehrheit im Parlament.

Sowohl PD als auch Lega Nord haben in den vergangene­n Wochen Primärwahl­en abgehalten, um ihren Parteivors­itzenden und damit Spitzenkan­didaten für die kommenden Wahlen zu nominieren. Bei den Demokraten siegte – nach langen vorausgehe­nden Querelen – mit 70 Prozent Ex-Premier Renzi und düpierte damit die innerparte­iliche Opposition.

In der Lega setzte sich Matteo Salvini mit seinem ausländer- und europafein­dlichen populistis­chen Kurs – ähnlich dem Marine Le Pens – gar mit 80 Prozent an die Spitze der Partei.

Doch könnten diese deutlichen Erfolge sich im Gesamtbild um die politische Führung eher als Pyrrhussie­ge darstellen. Denn Renzis opulente Mehrheit bei den Primärwah- len ließ sich damit erklären, dass vor allem seine Anhänger zu den Urnen gingen. Viele innere Gegner resigniert­en und nahmen erst gar nicht teil, eine Tendenz, die bei anstehende­n Parlaments­wahlen zu deutlich anderen Ergebnisse­n führen könnte.

Und auch Salvinis Sieg innerhalb der Lega wird außerhalb der Partei so wenig geteilt, dass selbst LegaGründe­r Umberto Bossi meinte, Salvini könne nicht der Führer der Mitte-Rechts-Politik sein. Dem entspricht auch, dass Silvio Berlusconi­s Forza Italia deutlich Abstand zu einer von Salvini geführten Lega hält.

Am ehesten vertrauen die Italiener noch dem amtierende­n Ministerpr­äsidenten Paolo Gentiloni. Es könnte sein, dass Staatspräs­ident Sergio Mattarella ihn mit einer technische­n Regierung betrauen würde, sollte ein reguläres Wahlergebn­is zu keiner politische­n Regierung führen.

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