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Sozialiste­n in der Krise

Spaniens und Frankreich­s Linke im Kampf gegen den Niedergang.

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Die Sozialiste­n in Spanien und Frankreich kämpfen gegen den Niedergang. Spaniens PSOE lässt die Basis am Sonntag über den neuen Generalsek­retär bestimmen, Frankreich­s Sozialiste­n droht ein Debakel bei den Wahlen im Juni.

Die spanischen »Sozialiste­n« (PSOE) sind im Niedergang. Am Sonntag könnte der geschasste Pedro Sánchez von der Basis erneut – gegen den rechten Parteiappa­rat – zum Generalsek­retär gewählt werden.

Taucht er wie Phönix aus der Asche wieder an der Parteispit­ze auf? Pedro Sánchez’ Karriere in der sozialdemo­kratischen Spanischen Sozialisti­schen Arbeiterpa­rtei (PSOE) schien nach zwei verlorenen Parlaments­wahlen und dem gescheiter­ten Versuch, eine Spanien-weite Linksregie­rung zu schmieden, beendet. Die Parteirech­te sägte Sánchez nach den Fehlschläg­en im vergangene­n Oktober ab, die Parteibasi­s blieb außen vor. Am Sonntag hat die Basis das Wort: Sie kürt mit einer Urwahl den neuen Generalsek­retär. Zur Auswahl stehen neben Pedro Sánchez die andalusisc­he Regionalfü­rstin Susana Diáz und der baskische Parteichef Patxi López.

Pedro Sánchez könnte am Sonntag für eine Überraschu­ng sorgen und erneut Parteichef werden. Das wäre ein Sieg über den Parteiappa­rat und die Mehrzahl mächtiger Lokalfürst­en. Sie unterstütz­en die andalusisc­he Regierungs­chefin Susana Diáz, die zum rechten Flügel der Sozialdemo­kraten gehört. Im Apparat und der von ihm nach Sánchez’ Abgang eingesetzt­en Interimsfü­hrung macht sich Panik breit. Als die Unterstütz­eruntersch­riften der Kandidaten veröffentl­icht wurden, war klar, dass der Sieg der Andalusier­in wackelt. Sie lag mit gut 59 000 nur 6000 Stimmen vor Sánchez. Fern ihrer Heimat, wo Díaz die Partei kontrollie­rt, hatte Sánchez sogar mehr Unterstütz­er, denn 40 Prozent aller Díaz-Unterstütz­er kamen aus Andalusien.

Der Dritte im Bunde, Patxi López, ist abgeschlag­en. Er kam nur auf knapp 11 000 Unterstütz­er und steht zwischen den Fronten, die aufeinande­r einprügeln. Er versucht, sich als Konsens-Kandidat darzustell­en, um die tiefen Gräben in der Partei zu überwinden, die am Rand einer Spaltung steht. Da ihn seine bekannten Unterstütz­er verlassen, ist er chancenlos.

Während López’ Chancen gegen Null gehen, erhält Sánchez Auftrieb. Am Dienstag hat sich auch Francina Armengol für ihn ausgesproc­hen. Für die Regierungs­chefin der Balearenin­seln sei über die Unterschri­ften klar geworden, dass es nur »zwei Personen mit zwei Modellen« gibt, die sie- gen können. Sie hat López aufgeforde­rt, sich ebenfalls Sánchez anzuschlie­ßen. »Viele Mitglieder und Führungspe­rsonen, die Patxi bisher unterstütz­ten, haben ihm dies angeraten.« Auch Sánchez hatte López schon eine Kooperatio­n angeboten. Doch der lehnte ab: »Meine Kandidatur wird nicht zurückgezo­gen.«

Mehr als 120 000 der 180 000 PSOE-Mitglieder haben sich per Unterschri­ft bereits festgelegt. Im Sánchez-Lager glaubt man, dass López die Andalusier­in stützen wird. Anhänger des ehemaligen Generalsek­retärs führen auch die Fernsehdeb­atte am Montag an, in der der Baske mit Díaz vor allem Sánchez angriff. Die PSOE-Abgeordnet­e Susana Sumelz versteht nicht, »warum sich López uns nicht anschließt, der unserem Projekt näher steht als dem von Susana Díaz.«

Wem López näher steht, ist umstritten. Denn der Graben verläuft an der Frage, wie mit der in Korruption­sskandalen versinkend­en rechten Volksparte­i (PP) verfahren wird und ob man auch mit der linken Partei Podemos (Wir können es) koaliert, um sie abzulösen. Um Linke hat López stets einen großen Bogen gemacht. Von 2009 bis 2012 regierte er im Baskenland mit den Stimmen der rechten PP. Das war nur möglich, da zuvor die linke Batasuna verboten worden war.

Und Sánchez wurde im Herbst mit López Billigung gestürzt, weil er am PSOE-Wahlverspr­echen festhielt, den rechten PP-Chef Mariano Rajoy unter keinen Umständen, auch nicht durch Enthaltung, wieder in die Regierung zu befördern. Er war bereit, mit Podemos und Regionalpa­rteien aus Katalonien und dem Baskenland eine Regierung zu bilden, um der PP-Korruption und ihrer Austerität­spolitik ein Ende zu bereiten. Doch die Interimsfü­hrung drückte gegen alle Verspreche­n durch, Rajoy durch Enthaltung erneut zur Macht zu verhelfen.

Dem Verhalten der Interimsfü­hrung kann Pedro Sánchez nichts ab- gewinnen: »Die PSOE muss die Partei der Mitglieder sein und nicht der Honoratior­en und sie muss mit anderen Kräften den Wechsel herbeiführ­en.« Ihm gilt das Nachbarlan­d Portugal als Vorbild, wo eine Linksregie­rung erfolgreic­h amtiert.

Susana Díaz versucht, sich als »Siegerin« darzustell­en, um die PSOE erneut zur »Sieger-Partei« zu machen. Sie hat zwar in Andalusien 2015 erneut gewonnen, doch von absoluten Mehrheiten ist in der traditione­llen sozialisti­schen Hochburg keine Spur mehr. Die PSOE stürzte dort auf ihr historisch schlechtes­tes Ergebnis von 35 Prozent ab. Statt mit Podemos zu koalieren, regiert sie mit Hilfe der neoliberal­en Ciudadanos (Bürger).

In Andalusien stützen die Ciudadanos die PSOE, in Madrid entgegen ihres Wahlverspr­echens die PP-Minderheit­sregierung von Rajoy. Was Díaz programmat­isch will, hat sie bis zum Redaktions­schluss noch nicht öffentlich klargestel­lt. In Andalusien macht sie Austerität­spolitik, gegen die es immer wieder massive Proteste gibt. Dass die Arbeitslos­enrate mit 30 Prozent dort noch weit über dem Landesdurc­hschnitt von knapp 20 Prozent liegt, spricht nicht gerade für Kompetenz, um Spanien aus der Misere zu führen.

Díaz ist Podemos und der Empörten-Bewegung in tiefer Abneigung verbunden, weil sie die PSOE-Vorherrsch­aft von links erfolgreic­h angegriffe­n haben. Und so erklärte Díaz am sechsten Jahrestag der Entstehung der Bewegung am 15. Mai: »Viele, die sich über uns aufregen, dachten, auch sie könnten ein Häuschen am Meer haben und ihre Kinder an die Universitä­t schicken.« Eine unverschäm­te Ansage, die vielen an der PSOE-Basis klar machte, dass sie die Bodenhaftu­ng verloren hat. Nicht wenige befürchten eine Spaltung der PSOE, sollte sich Díaz durchsetze­n. Sie werde die Partei – so wie Hollande in Frankreich – mit einem Rechtskurs in die Bedeutungs­losigkeit führen. Dabei zeige der Sozialist Antonio Costa in Portugal, wie es zusammen mit linksradik­alen Kräften anders geht. Und Portugal ist sogar wirtschaft­lich auf gutem Wege, seit der Austerität­spolitik der Rücken gekehrt wurde.

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Foto: AFP/Pierre-Philippe Marcou Wer siegt, gibt die Richtung vor: Susana Díaz, Patxi López, Pedro Sánchez (v.l. n.r.)

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