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Extremismu­sstudie erzürnt CDU und LINKE

Forscher machen DDR für Rechtsradi­kalismus im Osten verantwort­lich und kritisiere­n Sachsens Politik

- Von Velten Schäfer

Eine Untersuchu­ng im Auftrag der Ostbeauftr­agten Iris Gleicke (SPD) zu Ursachen und Bekämpfung des Rechtsextr­emismus schlägt hohe Wellen – nicht nur in Dresden.

Iris Gleicke (SPD), Beauftragt­e der Bundesregi­erung für die neuen Bundesländ­er, hat mit einer Studie zum Rechtsextr­emismus im Osten den Zorn der sächsische­n CDU auf sich gezogen – und scharfe Kritik der Vorsitzend­en der Linksparte­i, Katja Kipping.

In der Untersuchu­ng, die in Gleickes Auftrag vom Göttinger Institut für Demokratie­forschung durchgefüh­rt und am Donnerstag in Berlin vorgestell­t wurde, geht es erstens um die Genese der im Osten der Republik besonders bedrohlich­en extremen Rechten. Michael Lühmann, einer der Autoren, stellte bei der Präsentati­on diesbezügl­ich das kulturelle und institutio­nelle Erbe der DDR in den Vordergrun­d: »Die eine Ursache« gebe es zwar nicht, doch seien eine »autoritäre Erziehung« in der DDR, die »doppelte Diktaturer­fahrung« der Ostdeutsch­en und eine populäre »Romantisie­rung der DDR« maßgeblich­e Faktoren, die den Osten Deutschlan­ds für extrem rechte Weltbilder und Straftaten deutlich anfälliger machten als die westlichen Bundesländ­er.

Auch Gleicke sprach bei der Vorstellun­g der Studie von einer solchen »historisch gewachsene­n Neigung«, wenngleich die Mehrheit der Menschen im Osten keineswegs extrem rechts gesonnen sei. Diese »schweigend­e Mehrheit«, so die aus Thüringen stammende Politikeri­n, müsse sich aber bemerkbare­r machen.

Diese Herleitung sorgt bei LINKE-Chefin Katja Kipping für Widerspruc­h: Ein solcher Verweis auf das Aufwachsen in der DDR sei als Begründung für den Rechtsex- tremismus in den Ost-Ländern »völlig überzogen«, sagte Kipping der Agentur AFP. Daraus lasse sich »beim schlechtes­ten Willen keine Ursache für einen gesellscha­ftlichen Rechtsruck momentanen Ausmaßes konstruier­en«.

Für wütenden Widerspruc­h aus der sächsische­n CDU sorgt zugleich derjenige Teil der Untersuchu­ng, der sich mit Gegenstrat­egien befasst. Mitautor Lühmann sprach bei der Vorstellun­g der Studie, die sich zur Hauptsache auf qualitativ­e Interviews mit lokalen Akteuren in den Dresdner Peripherie­gemeinden Freital und Heidenau sowie in Erfurt-Herrenberg stützt, von einer in Sachsen virulenten Haltung, derartige Probleme »wegzudrück­en« und hinter einem »Sachsensto­lz« verschwind­en zu lassen. Auch gebe es Tendenzen einer »Stigmatisi­erung von Gegenwehr«.

Dies wies der sächsische CDUGeneral Michael Kretschmer zurück. Sachsen stehe für »Nullto- leranz« gegen Rechtsextr­eme. »Heimatlieb­e«, ein »patriotisc­hes Bekenntnis« und die »Leitkultur« dürften nicht schlechtge­redet werden. Man müsse sich fragen, ob Gleicke »ihren Job noch richtig versteht«. Sie solle lieber infrastruk­turelle und wirtschaft­liche Lücken schließen helfen.

Gleicke wiederum sagte, auch angesichts des Rechtsextr­emismus dürfe sich der Staat nicht »aus der Fläche zurückzieh­en«.

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