nd.DerTag

Romantisie­rung des Westens

- Velten Schäfer über eine Studie zum Rechtsextr­emismus im Osten

Warum sind rechte Ideen und Taten im Osten häufiger als im Westen? Die Wissenscha­ft erklärt dies erstens mit dem DDR-Erbe: Die Sozialisat­ionserfahr­ungen einer homogenen Bevölkerun­gsstruktur und einer nicht eben pluralen Öffentlich­keit seien anschlussf­ähig für Rechte. Zweitens fühlten sich viele nach 1990 betrogen, als ihnen erklärt wurde, es gebe keine Alternativ­e zu Deindustri­alisierung und Dekultural­isierung: eine rechts artikulier­bare Frustratio­nserfahrun­g, deren Realitäten fortwirken.

Dem kann auch die jüngste Studie zum Thema nichts hinzufügen, die nun von der Ostbeauftr­agten Iris Gleicke (SPD) präsentier­t wurde. Man wolle diese Perspektiv­en auch nicht gegeneinan­der ausspielen, so die Autoren. Dennoch wird erkennbar der DDR-Faktor höher angesetzt als in etlichen anderen einschlägi­gen Untersuchu­ngen.

Ob indes – gerade in Sachsen, auf das sich die Studie schwerpunk­tmäßig bezieht –, eine »Romantisie­rung der DDR« so virulent ist, wie die Autoren sagen, ist eine Frage, die man nun stellen kann. Eine andere wäre, ob die in der Untersuchu­ng beiläufig vorgenomme­ne Gegenübers­tellung der »geschlosse­nen Gesellscha­ft« DDR und eines »offenen« Westens nicht auch einer erhebliche­n Verzerrung ex post unterliegt: Heutige Diskurse um Inklusion, Diversität und Transkultu­ralität zumindest bestimmten auch in der BRD der 1980er Jahre weder das soziale Klima noch die Politik gegenüber den damals so genannten »Gastarbeit­ern«.

Newspapers in German

Newspapers from Germany