nd.DerTag

Lidl und Arbeitsrec­hte

Viele Lidl-Bananen kommen aus Ecuador. Dort werden weiter Arbeitsrec­hte missachtet

- Von Knut Henkel

Rechte von Bananenpfl­ückern werden missachtet.

Bei der ecuadorian­ischen Bananenpla­ntage Matías, Lieferant von Lidl, werden massiv Arbeitsrec­hte verletzt – auch Schutzrege­lungen. Flugzeuge sprühen von oben Pestizide, während Pflücker unten arbeiten.

Matías heißt eine der Plantagen, die Bananen für deutsche Lidl-Supermärkt­e liefert. Die werden jedoch unter der Verletzung grundlegen­der Arbeitsrec­hte geerntet. Gewerkscha­fter treffen sich nur inkognito mit Journalist­en und Vertretern von Arbeitsrec­htsorganis­ationen – aus Angst vor Entlassung. Obwohl der Lidl-Konzern nach den von der NGO Oxfam seit Jahren vorgebrach­ten Vorwürfen Besserung gelobte, hat sich daran nichts geändert, so Gewerkscha­fter Leóncio Moreida. Er gibt seine Identität preis, während seine beiden Kollegen aus Angst vor Repression gegenüber dem »nd«-Mitarbeite­r Knut Henkel anonym bleiben wollten.

Das Werkstor der Bananenpla­ntage Matías steht sperrangel­weit offen. Die uniformier­ten Wachleute hocken im Schatten daneben und passen auf, dass niemand unbefugt das Gelände betritt. »Rund zweihunder­t Menschen arbeiten hier und drei von ihnen treffen wir gleich in Naranjal«, sagt Jorge Acosta und lenkt den Mietwagen langsam am Werkstor vorbei. Acosta ist Vorsitzend­er der Astac, der Gewerkscha­ft der Agrararbei­ter Ecuadors, und er ist auf der Plantage genauso wenig erwünscht wie seine Gewerkscha­ft. Das Unternehme­n ist immer wieder gegen Gewerkscha­fter vorgegange­n, droht mit Entlassung, zahlt keine Überstunde­n und übt über die Vorarbeite­r extremen Druck auf die Arbeiter aus. »Auf dieser Plantage gelten die nationalen Gesetze nicht – hier sind Menschen mit Behinderun­g zur Kündigung gezwungen worden, hier sind die Sprühflugz­euge im Einsatz, wenn wir zwischen den Stauden arbeiten«, kritisiert Leóncio Moreida. Der stämmige Mann von Mitte vierzig ist ein Veteran, er scheut sich nicht den Mund aufzumache­n und die Unternehme­nsleitung offen zu kritisiere­n. Eigentlich gilt in Ecuador, dass die Arbeiter nicht auf der Plantage sein dürfen, wenn die Sprühflugz­euge über den Bananensta­uden Pestizide ausbringen.

Da sind seine beiden Kollegen, die heute mit ihm in einem Park von Naranjal, einer im Süden Ecuadors lie- genden Provinzsta­dt, auf Jorge Acosta warten, schon deutlich vorsichtig­er. »Wir sind seit gut zwei Jahren bei Matías angestellt und wollen den Job behalten«, sagt Walter Castro Rubiera entschuldi­gend.

Das, obwohl die Arbeit durchaus riskant ist – erst vor drei Monaten musste Castro Rubiera zum Arzt, nachdem er sieben Stunden lang Schädlings­bekämpfung­smittel ausgebrach­t hatte. »Mir war übel, ich hatte Magenkrämp­fe und als ich am nächsten Tag zum Arzt ging, hat der mit den Schultern gezuckt und gesagt, dass es nur von den Pestiziden kommen könne.« Was er da ausgebrach­t hat, weiß der 28-Jährige nicht mehr, nur dass es gegen die Fadenwürme­r im Wurzelbere­ich der Bananensta­uden helfen sollte. 14 Tage kämpfte er mit Magenschme­rzen, nahm Schmerzmit­tel. Mittlerwei­le weiß er jedoch von Jorge Acosta, dass maximal vier Stunden lang Pestizide ausgebrach­t werden dürfen – und das nur in Schutzklei­dung. Die haben die Arbeiter bei Matías längst nicht immer erhalten, denn mit den Vorschrift­en nimmt es die Plantagenl­eitung nicht so genau. »Um Pestizide am Boden ausbringen, haben wir erst in letzter Zeit Schutzklei­dung erhalten«, klagt Leóncio Moreida. Er ärgert sich auch darüber, dass die Arbeiter für jedes Zuspätkomm­en mit Lohnabzug bestraft werden und um die Bezahlung von jedem einzelnen Urlaubstag mit dem Verwalter feilschen müssen. Moreida findet das unwürdig.

So hält er den Kontakt zu Astac-Sekretär Jorge Acosta, der versucht eine Branchenge­werkschaft aufzubauen, obwohl die Gesetze eigentlich vorsehen, dass auf jeder Plantage selbst eine Betriebsge­werkschaft gegründet werden muss. Doch das ist erst ab dreißig organisier­ten Arbeitern möglich. »Für uns eine echte Hürde« so Acosta. Er hofft darauf, dass die neue Regierung von Lenín Moreno, die am 25. Mai vereidigt wird, diese Regeln zugunsten der Arbeiter ändern wird.

Doch vorerst geht es darum wieder einmal auf die Nichterfül­lung der gesetzlich­en Vorgaben bei Matías aufmerksam zu machen. Acosta wird nach seinem Besuch in Naranjal direkt an die Oxfam-Partner in Deutschlan­d schreiben. »Vielleicht sorgt das ja für Druck durch die Verbrauche­r in Deutschlan­d. Den brauchen wir«, sagt er und steigt ins Auto, um zurück ins Gewerkscha­ftsbüro nach Quevedo zu fahren.

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Foto: 123RF/aomarch
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Foto: AFP/ Rodrigo Buendia Auf den Plantagen Ecuadors werden die Bananen grün gepflückt und dann gewaschen.
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Foto: Knut Henkel Jorge Acosta, Vorsitzend­e der Agrargewer­kschaft Ecuadors

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