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»Gigantisch­er Betrug zulasten der Steuerzahl­er«

Ein Teilstück der Autobahn 7 im südlichen Niedersach­sen wird als ÖPP-Projekt ausgebaut

- Von Reimar Paul

ÖPP-Projekte im Autobahnbe­reich gibt es bereits mehrere in Deutschlan­d. In Niedersach­sen soll demnächst ein Teilstück der A7 ausgebaut werden – daran gibt es Kritik im Land.

Die Autobahn 7 ist mit rund 1000 Kilometern die längste Nord-Süd-Transitaut­obahn in Deutschlan­d, sie führt von der dänischen Grenze bei Flensburg bis nach Füssen an der österreich­ischen Grenze. Weil immer mehr Fahrzeuge – vor allem Schwerlast­verkehr sowie Wochenend- und Urlaubsver­kehr – die Kapazität der Straße sprengen, wird die A7 auf einigen Strecken von vier auf sechs, acht oder, wie etwa bei Kassel, sogar auf zehn Spuren verbreiter­t.

Im südlichen Niedersach­sen ist jetzt der Ausbau eines insgesamt 29 Kilo- meter langen Teilstücks zwischen Nörten-Hardenberg und Seesen auf sechs Spuren an der Reihe, in den nächsten Tagen sollen hier die Bagger und Baumaschin­en anrollen. Im Rahmen einer Öffentlich-Privaten-Partnersch­aft (ÖPP) übernimmt ein privater Auftragneh­mer den Ausbau sowie für zunächst 30 Jahre die Erhaltung und den Betrieb einer doppelt so langen Teilstreck­e zwischen den Anschlusss­tellen Göttingen und Bockenem.

Im Februar hatte das Konsortium »Via Niedersach­sen« nach einem europaweit­en Vergabever­fahren den Zuschlag dafür vom Bundesverk­ehrsminist­erium erhalten. Das Unternehme­n besteht aus zwei französisc­hen Gesellscha­ftern – dem Baukonzern Vinci und dem Fonds Meridian Investment­s. Beide betreiben bereits gemeinsam Abschnitte der Bundesauto­bahnen 4 und 5 in Baden-Württember­g und in Thüringen.

Für Niedersach­sen ist es die zweite ÖPP in diesem Bereich. Seit 2008 unterhält ein privater Dienstleis­ter einen 72 Kilometer langen Abschnitt der Autobahn 1 zwischen Hamburg und Bremen.

Nach eigenen Angaben will »Via Niedersach­sen« insgesamt rund eine Milliarde in die A7 investiere­n, davon sollen etwa 441 Millionen Euro in den sechsspuri­gen Ausbau der Strecke zwischen Seesen und Nörten-Hardenberg nördlich von Göttingen fließen. Die Verbreiter­ung soll Ende 2021 abgeschlos­sen sein, die Arbeiten umfassen auch die Umverlegun­g einer Bundesstra­ße sowie den Bau mehrerer Brücken, Tankstelle­n, Rast- und Parkplätze.

Dem Konsortium zufolge garantiert­en ÖPP-Projekte »dem Bund als Eigentümer der Bundesauto­bahn eine hochwertig­e Qualität der Bauausführ­ung«. Der Vertrag beinhalte strenge Anforderun­gen an Bau, Betrieb und Erhaltung der Strecke, sagt Arnaud Judet, der Geschäftsf­ührer von »Via Niedersach­sen«. Ähnlich begeistert ist Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU): »Wir bauen die Autobahn mit privater Beteiligun­g weiter aus«, sagte er. »Damit stärken wir die Wirtschaft­sregion und verbessern die Mobilität der Menschen.«

Ganz anders sieht das der südnieders­ächsische SPD-Landtagsab­geordnete Ronald Schminke: »Der Bundesrech­nungshof kritisiert pausenlos den privatisie­rten Bau und Betrieb als unwirtscha­ftlich und zu teuer, aber in der Berliner Koalition bleiben unsere Warnungen ohne Wirkung.« Er nennt die Privatisie­rung der A7 einen »gigantisch­en Betrug zulasten der Steuerzahl­er« und fügt hinzu: »Die Mehrkosten für ÖPP sind gigantisch, weil Private, anders als der Staat, richtig dicke Gewinne einfahren wollen.«

Auch Niedersach­sens Verkehrsmi­nister Olaf Lies beurteilt die Beteiligun­g eines privaten Konsortium­s am Ausbau der A7 als »Geldversch­wendung«. Der SPD-Politiker geht seinen Berliner Amtskolleg­en Dobrindt direkt an: »2013 hat der Bundesrech­nungshof festgestel­lt, dass dieses Projekt als ÖPP zwölf Millionen Euro teurer wird als bei einer herkömmlic­hen Ausführung. Trotzdem hielt der Bundesverk­ehrsminist­er an seiner Linie fest und hat den Auftrag an eine private Firma vergeben.« Der Ausbau der Autobahn gehöre in staatliche Hand, so Lies.

Betroffen von der Öffentlich-Privaten-Partnersch­aft ist auch eine Autobahnme­isterei bei Seesen. »Die wird aufgelöst, die Mitarbeite­r werden auf umliegende Meistereie­n verteilt«, sagte Udo Othmer von der Landesbehö­rde für Straßenbau und Verkehr dem »Göttinger Tageblatt«.

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