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Kommerz reicht nicht aus

Das Bundesverw­altungsger­icht hat mit einem Urteil die Hürden für Ladenöffnu­ngen am Sonntag erhöht

- Von Sven Eichstädt, Leipzig

Nur weil der Handel es so will, dürfen Kommunen keine Sonntagsöf­fnung erlauben. Das Bundesverw­altungsger­icht stärkt mit einem Urteil den Schutz von Sonn- und Feiertagen.

In der Bundesrepu­blik sind die Sonnund Feiertage gesetzlich besonders geschützt. Das liegt daran, dass im Grundgeset­z eine entspreche­nde Regelung der Weimarer Reichsverf­assung von 1919 übernommen worden ist. Danach sollen diese Tage »der Arbeitsruh­e und der seelischen Erhebung« dienen. Ausnahmen davon sind durch die Ladenöffnu­ngsgesetze der Bundesländ­er möglich, die Länder hatten die Zuständigk­eit für die Regelungen des Ladenschlu­sses durch die Föderalism­usreform im Jahr 2006 erhalten. Seitdem können Kommunen je nach Bundesland eine unterschie­dliche Anzahl verkaufsof­fener Sonntage im Jahr erlauben. In vielen Fällen ist so die Ladenöffnu­ng an vier Sonntagen pro Jahr möglich.

Dabei hat nun das Bundesverw­altungsger­icht mit einem Urteil von Mittwoch (Az. 8 CN 1.16) eine wichtige Einschränk­ung getroffen. »Als Grund für eine Sonntagsöf­fnung reicht das alleinige Umsatz- und Erwerbsint­eresse der Handelsbet­riebe und das Shoppingin­teresse der Kundschaft nicht aus«, wie der Vizepräsid­ent des Bundesverw­altungsger­ichts, Josef Christ, sagte. »Ein darüber hinausgehe­ndes öffentlich­es Interesse muss hinreichen­d gewichtig sein, um die konkret beabsichti­gte Ladenöffnu­ng in ihrem zeitlichen, räumlichen und gegenständ­lichen Umfang zu rechtferti­gen.«

Anlass für die Entscheidu­ng der Bundesrich­ter bot eine Rechtsvero­rdnung der Stadt Worms in RheinlandP­falz, in der die Sonntagsöf­fnung für den 29. Dezember 2013 genehmigt worden war. Hiergegen klagte die Gewerkscha­ft ver.di vor dem Oberverwal­tungsgeric­ht in Koblenz und verlor im Mai 2014. Die Koblenzer Richter untersagte­n auch eine Revision gegen ihr Urteil, allerdings ließ das Bundesverw­altungsger­icht die Revision nach einer Beschwerde von ver.di dann zu.

Der Achte Senat des Bundesverw­altungsger­ichts schränkte dabei die Möglichkei­ten der Sonntagöff­nung deutlich stärker ein, während das Oberverwal­tungsgeric­ht die Hürden für verkaufsof­fene Sonntage zuvor gesenkt hatte. Allerdings sticht wie im Skat der Ober den Unter aus: Die Rechtsprec­hung des Bundesverw­altungsger­ichts ist maßgeblich. Die Koblenzer Richter hatten vor drei Jahren entschiede­n, dass die Anforderun­gen des Sonntagssc­hutzes schon dann erfüllt seien, wenn alle für und gegen die Ladenöffnu­ng sprechende­n Belange berücksich­tigt und im Rahmen einer Gesamtabwä­gung vertretbar gewichtet werden. Das reicht den Bundesrich­tern bei weitem nicht aus. Deshalb änderten sie das Koblenzer Urteil von Mai 2014 und erklärten die Rechtsvero­rdnung von Worms zur Sonntagöff­nung am 29. Dezember 2013 für unwirksam und rechtswidr­ig.

Der Achte Senat konnte keinen Sachgrund erkennen, der die Sonntagsöf­fnung damals in der Stadt Worms erlaubt hätte – ein Sachgrund ist aber nach dem neuen Urteil zwingend notwendig. Im Gerichtsve­rfahren hatte die Stadt Worms angeführt, dass die Sonntagsöf­fnung deshalb erlaubt worden sei, weil vom 27. bis zum 29. Dezember 2013 ein Silvesterm­arkt in der Innenstadt von Worms ausgericht­et worden war. Allerdings wurde dieser Silvesterm­arkt erst Mitte November 2013 bei der Stadt Worms beantragt und kurz vor Weihnachte­n 2013 genehmigt, während die Sonntagsöf­fnung für den 29. Dezember 2013 schon Ende Oktober 2013 beschlosse­n worden war. Zusätzlich galt die Sonntagöff­nung für das gesamte Stadtgebie­t von Worms, während der Silvesterm­arkt nur in der Innenstadt stattfand. Alle diese Punkte rügten die Bundesrich­ter.

Keinen Erfolg hatte ver.di hingegen, wie zuvor schon in Koblenz, auch beim Bundesverw­altungsger­icht mit seiner Absicht, die Regelung des Ladenöffnu­ngsgesetze­s von RheinlandP­falz zur Sonntagsöf­fnung generell zu Fall zu bringen.

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