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Reformdefi­zite gefährden Patienten

AOK-Kongress zur Qualität der Krankenhäu­ser

- Von Basil Wegener

Krankenhau­spatienten in Deutschlan­d sind aus Expertensi­cht wegen Reformbloc­kaden des Gesundheit­swesens unnötig hohen Todesrisik­en ausgesetzt. So behandelte­n viele Kliniken Patienten in Bereichen, in denen sie weniger Erfahrunge­n haben, sagte der Klinikexpe­rte Marcel Weigand in Berlin. In solchen Krankenhäu­sern steige das »Letalitäts­risiko« dramatisch, so Weigand – also die Gefahr zu sterben.

Klinikqual­ität steht im Zentrum eines AOK-Kongresses in Berlin, den Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe (CDU) am Donnerstag eröffnete. Weigand ist Projektman­ager der »Weissen Liste«, einem von der Regierung unterstütz­ten Portal mit Infos zur Klinikqual­ität unter dem Dach der Bertelsman­n Stiftung. Es gebe zwar viele Vorgaben an Krankenhäu­ser, sie würden aber oft ignoriert, kritisiert­e Weigand. Wenig zur Minimierun­g der Risiken beigetrage­n habe die Gröhe-Klinikrefo­rm durch das 2016 in Kraft getretene Krankenhau­sstrukturg­esetz. »Was herausgeko­mmen ist, ist sehr dürftig.« Beim AOK-Kongress wurde von Gröhe eine Bilanz seiner Klinikrefo­rm erwartet.

Wie der Krankenhau­s-Report 2017 der AOK im Februar zeigte, sind die Behandlung­sergebniss­e für den Patienten besser, je häufiger bestimmte Eingriffe in einer Klinik erfolgen. Derzeit gibt es für sieben Krankheits­bereiche gesetzlich­e Regeln, welche Zahl von Fällen eine Klinik mindestens absolviert haben soll, darunter Nierentran­splantatio­nen, Knieprothe­sen-OPs und die Versorgung von Frühchen. Wissenscha­ftler und Fachgesell­schaften dringen seit Langem auf weitere solcher Standards – weitgehend erfolglos.

Mit dem Krankenhau­sstrukturg­esetz war auch angedacht, dass offizielle Qualitätss­tandards (Indikatore­n) für Behandlung­en festgelegt werden. Klinikabte­ilungen oder ganze Häuser sollten bei Nichterfül­lung der Vorgaben geschlosse­n werden. Weigand kritisiert, dass das dafür vorgesehen­e Gremium es nicht gewagt habe, »planungsre­levante Indikatore­n zu entwickeln«. Es handelt sich um den Gemeinsame­n Bundesauss­chuss von Krankenkas­sen, Ärzten und Krankenhäu­sern.

Zudem rüttelten Bund und Länder laut Weigand nicht an dem Prinzip, dass Klinikplan­ung Sache der Bundesländ­er ist. Da die Länder aber nicht verpflicht­et worden seien, schlechter­e Kliniken dicht zu machen, geschehe dies faktisch auch nicht.

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