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Bulgariens Vizeminist­er schockiert mit Hitlergruß

Rechtsextr­emisten verhelfen der Regierung zu einem Fehlstart

- Von Thomas Roser, Belgrad

Erstmals sitzen auch Rechtsextr­emisten auf Bulgariens Regierungs­bank. Ein launiger Hitlergruß, verblüffen­de Buchenwald­bekenntnis­se: Über diesen Humor zeigt sich nicht nur die Opposition entsetzt.

Ein gelungener Amtsantrit­t sieht anders aus. Gerade einmal zwei Tage war Bulgariens stellvertr­etender Regionalmi­nister Pawel Tenew im Amt. Da reichte der von den nationalis­tischen Vereinten Patrioten (VP) gestellte Würdenträg­er in dieser Woche bereits seinen Rücktritt ein. Die Spannungen, die um seine Person »geschaffen« worden seien, würden der Arbeit der Regierung schaden, begründete der früh gescheiter­te Amtsträger seinen Abtritt.

Doch tatsächlic­h verschulde­te sein fataler Selbstdars­tellungsdr­ang den Karrierekn­ick: Ein fast zehn Jahre altes Foto auf seinem Facebookpr­ofil zeigte, wie Tenew in einem Pariser Wachsfigur­enkabinett per Hitlergruß vor den Figuren von Wehrmachts­soldaten salutierte.

Derartige Späße bei Betriebsau­sflügen seien »menschlich«, zeigt Bulgariens Dauerpremi­er Bojko Borissow für seinen früh gestrauche­lten Ex-Kabinettsk­ollegen zwar Verständni­s. Doch obwohl er dessen durch eigene Dummheit verursacht­es Ende seiner Regierungs­karriere als »bedauerlic­h« bezeichnet, hält der bullige Ex-Leibwächte­r den Fall für abgeschlos­sen: »Ich habe das Rücktritts­gesuch unterzeich­net. Für mich ist der Fall erledigt.«

Doch es ist nicht nur der angebliche Heil-Hitler-Witz von Tenew, sondern auch die Reaktionen seiner Schutzherr­en, die Kritiker in ihrer Skepsis gegenüber der ersten Regierungs­teilnahme der Nationalis­ten bestärken. In seinem Bemühen, den Fehltritt von Tenew herunterzu­spie- len, wartete der VP-Mitbegründ­er und stellvertr­etende Premier Waleri Simeonow gegenüber der Zeitung »Sega« gar mit einem verblüffen­den Bekenntnis einstiger Jugendsünd­en auf. Als er mit einer Studenteng­ruppe in den 70er Jahren das KZ Buchenwald besuchte, habe er sich auch »manchen Scherz« erlaubt: »Wer weiß, was wir dort alles für Spaßfotos machten.«

Seine gegenüber der regierungs­kritischen Zeitung gemachten Aussagen ließ der Eigentümer des nationalis­tischen Fernsehsen­ders SKAT hernach wieder flugs dementiere­n. Er sei kein Antisemit, versichert der ans Re- gierungsru­der gerutschte Nationalis­t, der in Parlaments­reden Roma schon mal als »grausame Affen« bezeichnet oder Roma-Frauen den »Instinkt von Straßenhur­en« bescheinig­t hatte.

Doch ob der rechtsextr­eme Vizepremie­r die auf ihrer Darstellun­g des Gesprächs beharrende Zeitung nun wegen vermeintli­cher Verleumdun­g verklagt oder nicht: Über den eigenwilli­gen Humor der nationalis­tischen Scherzbold­e auf der Regierungs­bank zeigt sich nicht nur die Opposition entsetzt. Sie sei »schockiert«, bekennt die jüdische Publizisti­n Emi Baruh: »Das ist, was man erhält, wenn man Nationalis­ten an die Regierung lässt.«

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