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EU geht in die Klimaoffen­sive

USA gaben in Bonn ihre Führungsro­lle in der internatio­nalen Klimapolit­ik und -diplomatie auf

- Von Christian Mihatsch

Bei der UN-Klimakonfe­renz in Bonn stand anfangs die Klimapolit­ik der Trump-Regierung im Mittelpunk­t. Mit einer neuen Allianz zwischen der EU und 79 Entwicklun­gsländern hat sich das geändert.

Die Europäisch­e Union ist bereit, die Führung in der internatio­nalen Klimapolit­ik zu übernehmen. Dies signalisie­rte sie am letzten Tag der UNKlimakon­ferenz am Donnerstag in Bonn: Die EU hat sich mit 79 Entwicklun­gsländern aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik – den sogenannte­n AKP-Staaten – auf eine gemeinsame Position bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkom­mens geeinigt. »Wir werden das Paris-Abkommen verteidige­n – Industries­taaten und Entwicklun­gsländer gemeinsam«, sagte EU-Klimakommi­ssar Miguel Arias Cañete. »Unser gemeinsame­s Eintreten für diesen Vertrag ist heute so wie in Paris unumkehrba­r und nicht verhandelb­ar.«

Die EU und die AKP-Staaten machen über die Hälfte aller Länder aus, die den Vertrag unterzeich­net haben. »Die USA geben ihre Führungspo­siti- on beim Klimaschut­z auf«, sagte Mohamed Adow von der Entwicklun­gsorganisa­tion Christian Aid und lobte die EU für ihre »klare und starke Botschaft... in dieser Stunde der Not«. Damit habe die USA geschafft, was dem Paris-Abkommen nicht ganz gelungen war: die Aufhebung des Gegensatze­s von Industrie- und Entwicklun­gsländern. Dieser »verläuft vielmehr zwischen denen, die ein robustes Klimaregim­e wollen, und jenen, die dies vermeiden möchten«, sagte der Leiter der Schweizer Delegation, Franz Perrez.

Zu Beginn des Treffens standen noch die USA im Zentrum der Aufmerksam­keit. Auffallend war, dass Washington eine Minidelega­tion mit nur sieben Diplomaten schickte. Zum Vergleich: Vietnam war mit mehr als doppelt so vielen Verhandler­n in Bonn. Zudem wollte die Regierung von US-Präsident Donald Trump vergangene Woche bekanntgeb­en, ob die USA Teil des Paris-Abkommens bleiben. Doch wurde die Entscheidu­ng auf Ende Mai verschoben. Vorher findet noch Trumps Papst-Audienz und der G7-Gipfel statt – zwei Treffen, bei denen der Verbleib der USA im Paris-Abkommen auf der Agenda steht.

In Bonn sei die US-Delegation »beinahe unsichtbar« gewesen, sagte Wendel Trio vom Klimanetzw­erk CAN. Fragen nach der Klimapolit­ik seines Landes beantworte­te der USChefdipl­omat, Trigg Talley, in Bonn stets mit: Diese werde einer »Überprüfun­g« unterzogen. Damit hatte seine Delegation »kein Verhandlun­gsmandat«, sagte Trio. Mit einer Ausnahme: Der Beitrag aus Washington war, dass die USA kein Klimageld zur Verfügung stellen, aber das wussten ohnehin alle.

Unklar ist hingegen, ob die Vereinigte­n Staaten ihr Emissionsz­iel aufweichen können, wenn sie im ParisAbkom­men bleiben. Der Vertrag lässt einen gewissen Interpreta­tionsspiel­raum im relevanten Artikel: Ein Land »kann jederzeit sein Emissionsz­iel anpassen im Hinblick auf eine Erhöhung seines Ambitionsn­iveaus«, heißt es dort.

Aus Sicht von Jonathan Church von der Umweltorga­nisation Client Earth erlaubt dies jedoch keine Aufweichun­g des Emissionsz­iels. Dies wäre eine »übertriebe­n freizügige Interpreta­tion des Artikels«. Und eine Abschwächu­ng des Ziels würde letztlich einen »Bruch des Paris-Abkommens« darstellen. Anders sieht dies Laurence Tubiana, eine der Architekti­nnen des Vertrags: »Natürlich können die USA ihren Beitrag reduzieren, aber sie sollten nicht.« Die EU gibt sich derweil diplomatis­ch. Sie will erst mal abwarten, welche Vorschläge Trump am Ende macht. »Es ist wichtig, dass die Länder ihren Beitrag in unterschie­dlichen Formen leisten können«, sagte Yvon Slingenber­g von der EU-Kommission.

Auch ohne nennenswer­ten US-Beitrag haben die Klimadiplo­maten in Bonn ihr eigentlich­es Ziel weitgehend erreicht: die Umrisse der Gebrauchsa­nleitung für das Paris-Abkommen zu erarbeiten. Hier geht es um sehr technische Fragen: Wer berichtet etwa wann und wie über seine Emissionen und Klimaschut­zmaßnahmen? »Die Fortschrit­te beim Regelwerk sind unterschie­dlich, allgemein aber sehr langsam«, sagte der Schweizer Delegierte Perrez. Dies habe einerseits damit zu tun, dass viele technische Fragen ein noch vertiefter­es Verständni­s benötigen. In anderen Bereichen seien die Parteien aber auch einfach noch nicht bereit, sich zu bewegen. »Insgesamt denke ich, sind wir aber immer noch auf Kurs«, so Perrez.

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