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Staatsschu­tz stand bereits häufiger im Fokus

Nach Vorwürfen im NSU-Komplex wurde Behörde und Praxis bei der Führung von V-Personen umgekrempe­lt

- Von Martin Kröger

Das Landeskrim­inalamt ist eine große Behörde mit verschiede­nen Abteilunge­n für unterschie­dliche Felder der Kriminalit­ät. Der im Fall Amri beschuldig­te Staatsschu­tz stand öfter in der Kritik.

Die Vorwürfe gegen die Abteilung 5 (LKA 5) der Berliner Kripo wiegen schwer. Nach derzeitige­m Erkenntnis­stand sollen von Mitarbeite­rn dieser Abteilung Vermerke manipulier­t worden sein, und mögliche Hinweise auf den späteren Attentäter Anis Amri im November 2016 nicht verfolgt worden sein, obwohl eine Verhaftung wegen gewerbsmäß­igen und bandenmäßi­gen Drogenhand­els wohl erfolgen hätte müssen.

Dass bei einer großen Behörde wie dem Berliner Landeskrim­inalamt das für so viele Deliktsfel­der zuständig ist, Fehler gemacht werden, versteht sich von selbst. Doch das jetzt er- neut scheibchen­weise Erkenntnis­se bekannt werden und möglicherw­eise wichtigen Hinweisen nicht nachgegang­en wird, erinnert fatal an den Skandal um die Verwicklun­g von VPersonen (VP), die das Landeskrim­inalamt Berlin im Zusammenha­ng mit dem Umfeld des sogenannte­n Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­es (NSU) führte. Auch damals stand die Frage im Mittelpunk­t, ob die Kripo wichtige Erkenntnis­se nicht an zuständige Stellen weitergele­itet hatte, wodurch möglicherw­eise die Morde der rechtsextr­emen Terroriste­n des NSU an zehn Menschen hätten verhindert werden können.

Im Zentrum der Vorwürfe gegen den Staatsschu­tz stand ab September 2012 die »VP 562«, Thomas Starke, der über die rechtsextr­eme Musikszene berichtete und zwischen Ende 2000 bis 2011 als Spitzel geführt worden war. Im Nachhinein wurde bekannt, dass Starke seinem VP-Führer mehrfach Hinweise ge- geben hatte, die sehr wahrschein­lich direkt zu den NSU-Mördern geführt hätten, wären sie weitergele­itet worden. Der Abgeordnet­e HansChrist­ian Ströbele, der für die Grünen im NSU-Bundestags­untersuchu­ngsausschu­ss saß, bemerkte dazu einmal: »Inzwischen bin ich der Auffassung, dass Berlin und Brandenbur­g die Schlüssell­änder sind, warum dieses Nazitrio nicht frühzeitig aufgefloge­n ist.« Bis heute weiß man von mindestens vier Spitzeln des Berliner Landeskrim­inalamtes, die im Umfeld des NSU geführt wurden.

Der jüngste Verdacht bezieht sich auf den ehemaligen Deutschlan­dchef der im Jahr 2000 verbotenen Neonaziorg­anisation »Blood and Honour«, der nach Medienberi­chten vom Berliner Staatsschu­tz an das Bundesamt für Verfassung­sschutz als V-Mann empfohlen worden sein soll. Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) erklärte am Donnerstag im Parla- ment, dass er diesen Vorwürfen nachgeht und eine Prüfung angeordnet habe.

Die zahlreiche­n Spitzenska­ndale hatten für die Staatsschu­tzabteilun­g seinerzeit Folgen. Der ehemalige Innensenat­or Frank Henkel (CDU) ließ als Konsequenz die Aktenführu­ng und die Führung der V-Leute umstruktur­ieren. Außerdem wurde, wie Ende 2014 mitgeteilt wurde, über die Hälfte des Stammperso­nals ausgetausc­ht. Auf Initiative von Rot-RotGrün ist es inzwischen sogar so, dass jeder V-Mann-Einsatz beim Landeskrim­inalamt durch Polizeiprä­sident Klaus Kandt persönlich genehmigt werden muss. Im Falle der umstritten­en Spitzel wurde also reagiert. Das Landeskrim­inalamt hatte seine Fehler analysiert und daraus Konsequenz­en für die Zukunft gezogen. Die Fehleraufa­rbeitung im Fall Amri steht noch aus, sie könnte ähnlich schmerzhaf­t werden wie im Fall des NSU-Komplexes.

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