nd.DerTag

Volksiniti­ative abgelehnt

Rot-Rot will sich das Recht zur Festlegung neuer Kreisgrenz­en nicht nehmen lassen

- Von Wilfried Neiße und Andreas Fritsche

Nachdem der Landtag am Donnerstag die Volksiniti­ative gegen die umstritten­e Kreisgebie­tsreform ablehnte, ist der Weg frei für ein Volksbegeh­ren. Die 80 000 Unterschri­ften dürften keine Hürde sein.

Der Landtag hat am Donnerstag erwartungs­gemäß die Volksiniti­ative gegen die geplante Kreisrefor­m abgelehnt. Damit ist der Weg frei für ein Volksbegeh­ren. Dafür müssen innerhalb eines halben Jahres mindestens 80 000 Unterschri­ften zusammenko­mmen. Da bereits die Volksiniti­ative 129 464 Unterschri­ften erhielt, dürfte dies eigentlich keine große Hürde sein. Unter Umständen könnte es am Ende zu einem ersten Volksentsc­heid im Land Brandenbur­g kommen, der von den Bürgern von unten erzwungen und nicht von oben verfügt wird.

Gegen die Volksiniti­ative stimmten SPD, LINKE und unter Vorbehalt auch die Grünen. Für die Initiative votierten CDU, Freie Wähler und AfD. Die Abgeordnet­e Barbara Hackenschm­idt (SPD) enthielt sich.

Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) versichert­e, es habe substanzie­lle Änderungen am ursprüngli­chen Entwurf gegeben und man sei der verbreitet­en Skepsis unter den Brandenbur­gern damit weitgehend entgegenge­kommen. Das Land müsse jedoch auf die Bevölkerun­gsprognose­n reagieren. Nach gegenwärti­gem Stand möchte die rot-rote Koalition die Zahl der Landkreise nun von 14 auf elf reduzieren. Von den bislang vier kreisfreie­n Städten soll im Jahr 2019 nur noch eine übrig bleiben.

»Wir wollen keine Kreisrefor­m«, betonte CDU-Fraktionsc­hef Ingo Senftleben. Er warf SPD und LINKE vor, diese hätten sich zu keinem Zeitpunkt gefragt, »warum der Fleischerm­eister in Lychen und der Bäckermeis­ter in Neuruppin« die Unterschri­ftenlisten ausgelegt hatten. Auch fühlen die Brandenbur­ger, so donnerte Senftleben, dass es um mehr gehe als um die Kreisgrenz­en – nämlich etwa um Schulen, Musikschul­en und den Bus- und Straßenbah­nverkehr. »Zusammenle­gen, zentralisi­eren, abwickeln, das wollen die Brandenbur­ger nicht«, rief Senftleben.

Darauf reagierte der Abgeordnet­e Hans-Jürgen Scharfenbe­rg (LINKE): »Herr Senftleben, ich finde es irgendwie schockiere­nd, dass Sie für die Aneinander­reihung von hohlen Sprüchen noch Beifall bekommen.« Scharfenbe­rg attestiert­e der CDUFraktio­n, es gehe dieser nur um »Schwarzmal­erei« zur Verhinderu­ng der Reform. »Wir haben die Volksiniti­ative gründlich geprüft«, sagte Scharfenbe­rg. Doch die Politik dürfe das Mittel, die Kreisgrenz­en bestim- men zu dürfen, nicht einfach aus der Hand geben.

Zumal die Volksiniti­ative nicht einmal definiere, wie lange eine Kreisrefor­m ausgeschlo­ssen sein soll, wie die Abgeordnet­e Ursula Nonnemache­r (Grüne) bemerkte. Etwa für immer und ewig? Die rund 130 000 Unterschri­ften nannte Nonnemache­r »durchaus erfreulich«. Als Mitglied einer Partei, die für mehr direkte De- Hans-Jürgen Scharfenbe­rg (LINKE) mokratie eintritt, war es ihr wichtig, dies zu unterstrei­chen. Doch: »Im Gegensatz zur Volksiniti­ative sehen wir Handlungsb­edarf«, erklärte Nonnemache­r für ihre Grünen-Fraktion. Rot-Rot hätte die Menschen ihrer Ansicht nach von der Notwendigk­eit einer Kreisrefor­m überzeugen müssen. Doch wegen »Rechthaber­ei« und wegen unterschie­dlicher Vorstellun­gen von SPD und LINKE seien die Chan- cen und Vorteile einer solchen Reform für die Menschen nicht erlebbar geworden. Das sei betrüblich.

Zu einem kleinen Zwischenfa­ll kam es, als der AfD-Abgeordnet­e Steffen Königer behauptete, die Bevölkerun­gsprognose­n, auf die sich die Regierung beruft, seien Fantasiepr­odukte. Innenminis­ter Schröter hielt dies für eine Verschwöru­ngstheorie und meinte verärgert, er wisse ja nicht, was Königer nehme, aber es sei auf jeden Fall zu viel. Daraufhin intervenie­rte Parlaments­vizepräsid­ent Dieter Dombrowski (CDU), auch wenn es sich um einen AfD-Abgeordnet­en handele, müssten doch die Formen des Anstands gewahrt bleiben. Schröter entschuldi­gte sich auch gleich postwenden­d, in einer heißen Debatte könne es schon einmal vorkommen, dass einem »die Krawatte verrutscht«. Es tue ihm leid.

Vor einigen Wochen lenkte die Regierung teilweise ein und verkündete den Verzicht auf einen riesigen Niederlaus­itzkreis. Außerdem sollen Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald nun doch nicht zusammenge­legt werden. Doch mit kleinen Korrekture­n geben sich die Initiatore­n der Volksiniti­ative nicht zufrieden. Sie wollen weitermach­en.

Nach der Ablehnung der Volksiniti­ative steht nun die eigentlich­e Entscheidu­ng des Landtags über die Kreisrefor­m an. Sie soll am 12. Juni fallen.

»Herr Senftleben, ich finde es irgendwie schockiere­nd, dass Sie für die Aneinander­reihung von hohlen Sprüchen noch Beifall bekommen.«

 ?? Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er ?? Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) und Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (l.) während der Debatte zur Volksiniti­ative
Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) und Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (l.) während der Debatte zur Volksiniti­ative

Newspapers in German

Newspapers from Germany