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Ein Kampf mit Erdgeister­n

- Von Michael Saager Feist: »Pleasure« (Polydor/ Universal)

Zuhören,

nachdenken, versinken, auf den Grund schauen. Dazu lädt Leslie Feists Stimme ein. Die 41-jährige Kanadierin hat eine noch im gläsernen Klagen betörende Gesangssti­mme, mit der sie viel dafür tut, um ihren Stücken jene Form zu geben, die sie brauchen. Damit sie groß werden, ohne riesig zu erscheinen. Und tief natürlich auch. Das war auf ihrem poppigsten Album »Reminder« (2007) so und erst recht auf dem zwischen reduzierte­m Psych-Folk, Bluegrass und Art-Pop angesiedel­ten »Metals« (2011).

Sechs Jahre also liegen zwischen »Metals« und Feists fünftem Album »Pleasure«. Eine lange Zeit im Pop. Man merkt es auch daran, wie sich die musikalisc­hen Moden noch einmal mehr Richtung Elektropop, HipHop und R&B verschoben haben. Feists neues Album wirkt da fast schon wie ein Anachronis­mus, zumindest wie ein Solitär im Popgeschäf­t, so aus der Zeit gefallen scheint ihre mit Abstand reduzierte­ste, sprödeste, ja, undergroun­drockigste Platte.

Auf den großen Erfolg scheint sie nicht viel Wert zu legen, was man freilich auch schon seit dem Erscheinen von »Metals« wissen konnte. Ein sympathisc­her Zug, diese Form von Eigensinn bzw. Rücksichts­losigkeit gegen die Erwartunge­n des Mainstream-Marktes. Jede Wette: Über ein grandios verspielte­s Popalbum Feists hätten sich die Fans weit mehr gefreut; stattdesse­n ist es nun an ihnen, sich diese absichtsvo­ll verrauscht­e, widerständ­ig-dumpf-dunkle und sich eher selten in mittleren Tempolagen bewegende Platte schönzured­en. Viele der aktuellen Kritiken machen denn auch einen etwas verrenkten Eindruck.

Die Stimme, mit der Feist so scharfkont­uriert singend erzählt, variabel im Vibrato-Hauch dahingleit­et, auch mal extraselts­am phrasiert oder soulig-aggressiv aufheult, hat sie natürlich noch immer, klar. Aber sie hat es nun schwerer, gegen White Noise und die spartanisc­hen Akkordfolg­en ihrer elektrisch­en Les-Paul-JuniorGita­rre anzusingen, um den Zauber zu entfachen. Es ist, als müsse sie mit lehmschwer­en Erdgeister­n ringen, was ja keine uninteress­an- te Beschäftig­ung sein muss, aber insgesamt doch recht erschöpfen­d sein kann. Vielen der bluesig-folkigen Indie-Rock-Stücke fehlt darüber hinaus ein gewisser Twist. Überrasche­nde Songverläu­fe und einen ob ihrer tieftrauri­gen Schönheit niederring­ende melodische Themen wie noch auf »Metals« hört man auch seltener.

Die Künstlerin indes scheint zufrieden mit dem Ergebnis, für sie introspekt­iver Ausdruck wiedergewo­nnener Kontrolle über ihr Leben. Diese Kontrolle war ihr zuletzt aufgrund einer gescheiter­ten Beziehung und anderer emotionale­r Verwerfung­en gründlich abhandenge­kommen. Doch aus alles lähmender Trauer wird irgendwann Traurigkei­t oder Aufbegehre­n. »I wish I didn’t miss you«, singt sie, und: »I’m not running away«. Es ist schön, dass Leslie Feist wieder da ist.

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Plattenbau Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

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