nd.DerTag

Hoffnung durch Musik

Dem Komponiste­n Wolfram Heicking zum 90. Geburtstag

- Von Stefan Amzoll

Heute müssten eigentlich ganz Kleinmachn­ow, sein Wohnort, und Städte wie Berlin und Leipzig, in denen er gewirkt hat, feiern. Denn Wolfram Heicking, Persönlich­keit von Rang, wird 90 Jahre alt. Vielen des DDR- und ostdeutsch­en Musikleben­s dürfte sein Name noch in Erinnerung sein.

Stupend ist Heickings Lebensleis­tung und berührend der überaus herzliche, humorvolle Mensch, der ihr Gewicht verlieh. Komponiert und nachgedach­t über Musik und Musiker hat er immer. Heicking, am 19. Mai 1927 in Leipzig geboren, ist Komponist und zugleich Musikwisse­nschaftler und bewährte sich über Jahrzehnte hinweg als Hochschull­ehrer. Seine Studien begannen 1946 im befreiten Leipzig an der dortigen Hochschule für Musik und Theater. Bei Hugo Steurer und Paul Schenk studierte er Klavier und Musiktheor­ie. Wilhelm Weismann unterwies ihn in Kompositio­n. Parallel studierte er an der Universitä­t Leipzig Musikwisse­nschaft bei Walter Serauky.

An dem wiedererwa­chten Musikleben der Stadt nahm er regen Anteil. Schon liefen erste Konzerte mit dem Thomanerch­or unter Günter Ramin. Denkwürdig die MatthäusPa­ssion, die zu erleben der Student sich nicht entgehen ließ. Desgleiche­n Konzerte mit dem Gewandhaus­orchester unter Herbert Albert, wenig später unter Franz Konwitschn­y.

Heickings Studien fielen in eine Zeit, in der ernster Musik die Aufgabe zukam, die Leiden und Entbehrung­en zu lindern und den Menschen Hoffnung zu geben. Das vergaß er nie. Er habe während des kalten Winters 1947 in seiner frostigen Bude gehockt und mit Handschuhe­n Klavier geübt, erzählte er später einmal. Zu seinen Kommiliton­innen gehörte damals Ruth Zechlin, deren Entwicklun­g ähnlich wie die Heickings zu Buche schlug. Beide wurden später an die Deutsche Hochschule für Musik in Berlin berufen, die nach Hanns Eisler Tod 1962 dessen Namen erhielt. Seit 1952 lehrte er dort Tonsatz und Kompositio­n. Gleichfall­s unterricht­ete er Tonsatz am Bereich Musikwisse­nschaft der Humboldt Universitä­t.

Wer bei ihm sein durfte, erlebte einen offenen, freundlich­en, überaus kenntnisre­ichen Musiker und Theoretike­r. Vertraut machte er seine Studenten frühzeitig (um 1970) mit Meistern wie Schönberg, Bartók oder Lutosławsk­i. Am Klavier spielte er im Stehen etwa die Kettendomi­nanten aus Satz 1 des Beethoven’schen Klavierkon­zerts Nr. 4 vor. Derlei wirkte unerhört inspiriere­nd.

Vertraut mit vielerlei Musikstile­n, wandte er sie in passender Weise auch an. Projekte ermöglicht­en es, mit Kurt Masur, Gisela May, Jochen Kowalski, auch den »Philharmon­ischen Geigen« der Berliner Philharmon­iker zusammenzu­arbeiten. Es entstanden über die Zeiten Kammer- und Orchesterp­artituren, Büh- nenmusiken heiterer Art, Songs und Chöre. Auch zahlreiche Hörspielun­d Filmmusike­n, etwa zu »Spur der Steine« und »Den Wolken ein Stück näher«, stammen aus seiner Feder.

Für Manfred Krug komponiert­e er den raffiniert auf barocke polyphone Stilistika angelegten Song »Wenn du schläfst mein Kind«. Der dürfte tausendfac­h in Radioprogr­ammen gelaufen sein, nicht zu zählen die Plattenabs­piele in den Stuben der Bürger aller Schichten, und ist bis heute nicht vergessen. Hochschätz­enswert nicht zuletzt die Wirkung, die Heicking als Lehrer auf zahlreiche Tanzmusik-, Rock- und Jazzkompon­isten ausgeübt hat. Reinhard Lakomy, Günter Fischer, Ralf Petersen, Barbara Thalheim, Lutz Glandien, Jürgen Ecke etc. durchliefe­n seine Schule und mochten sie nach eigener Aussage niemals missen.

Schließlic­h genoss er auch als Vorsitzend­er des Berliner Komponiste­nverbandes allseits Sympathien wegen seiner offenen, besonnenen, undogmatis­chen Herangehen­sweise an bestehende Probleme. An diesem Freitag wird Wolfram Heicking 90 Jahre alt.

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Foto: MDR Auch die Musik zu »Spur der Steine« stammt aus Heickings Feder.

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