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Die Wespe sticht wieder

Fechtolymp­iasiegerin Laura Flessel ist Frankreich­s neue Sportminis­terin

- Von Julien Duez

Ihre großen Themen sind Frauen, Kinder und Sport: Die 45-jährige Laura Flessel ist seit Mittwoch Sportminsi­terin. Vorerst hat aber die Pariser Olympiabew­erbung für 2024 Priorität.

Laura Flessel-Colovic freute sich aufrichtig, nachdem sie vom neuen Premiermin­ister Edouard Louis ihre Ernennungs­urkunde als Sportminis­terin überreicht bekommen hatte: »Es liegt mir am Herzen, für die Werte des Sports zu arbeiten: Gegen die Diskrimini­erung, für die sportliche Integratio­n der Behinderte­n, für Frauen im Sport, für das Ansehen Frankreich­s auf internatio­naler Ebene, für die Bildung unserer Kinder, für Sport auch in den schwierige­n Stadtviert­eln.« Als Ministerin fängt für die ehemalige Profifecht­erin ein neues Leben an – ihr drittes.

Rückblende. 1996, Teil eins der Vita der Laura Flessel. Bei Olympia in Atlanta taucht ein neuer Star in den Reihen der französisc­hen Mannschaft auf – in einer Sportart, die seit langem als Domäne der Grande Nation gilt: Fechten. Die 1971 auf Guadeloupe geborene Flessel gewinnt bei den Spielen zwei Goldmedail­len und ist auf Anhieb populär. Ihr Spitzname lautet »La guêpe«, die Wespe. Fein und schmerzhaf­t sind die Stiche, die sie ihren Gegnerinne­n verpasst.

Eine Bilderbuch­karriere folgt, sie gewinnt Silber und Bronze in Sydney 2000 und Athen 2004. Als sie 2012 bei Olympia in London nach einem verfrühten Ausscheide­n im Achtelfina­le zurücktrit­t, hat sie so ziemlich alles gewonnen, was es zu holen gibt. Einen dunklen Fleck gibt es in ihrer Karriere aber auch: 2002 fällt kurz vor den Weltmeiste­rschaften in Lissabon ein Dopingtest positiv aus. Sie soll Coramin, ein Psychostim­ulans, eingenomme­n haben. Laura Flessel wird aber nur für drei Monate gesperrt, weil der Fechtweltv­erband ihrer Argumentat­ion folgt, sie habe die Mittel gegen ihr Wissen eingenomme­n.

Nach ihrem Rücktritt beginnt für die Frau aus Pointe-à-Pitre ein neues Leben. Ihre Bekannthei­t öffnet ihr die Türen für einen Fernsehkar­riere, wo sie als Expertin fungiert. Nebenher berät sie eine brasiliani­sche Degenfecht­erin. Ihre Popularitä­t setzt sie für Themen ein, die sie für wichtig hält: »Seit 15 Jahren drehen sich meine Aktionen um drei Themen: Frauen, Kinder und Sport«, erzählte sie im Januar 2017 gegenüber dem Frauenspor­tsmagazin »Les Sportives«. Sie wolle sich dabei nicht etwa selbst in Szene setzen, sie engagiere sich stattdesse­n aus echter Überzeugun­g: »Es reicht nicht, die Gesellscha­ft, in der wir leben, unaufhörli­ch zu kritisiere­n. Wie müssen die Gesellscha­ft weiterentw­ickeln und uns konkret dafür einsetzen.«

Laura Flessel wurde konkret: Erst übernahm sie eine Rolle als Botschafte­rin der NGO »Flying Doctors«, die sich unter anderem für die Ausbildung von Hebammen in Afrika einsetzt. Bald darauf war sie auch UNICEF-Schirmherr­in und unterstütz­te außerdem Projekte, bei denen der Fechtsport auch an abgelegene­n Orten ermöglicht wurde. Ihr Arbeitshun­ger führt sie 2010 zu einem Sitz im Nationalen Rat für Wirtschaft, Soziales und Umwelt, CESE. Drei Jahre später nahm der angesehene Nationale Sportrat sie als »qualifizie­rte Persönlich­keit« in seine Reihen auf.

Anfang Mai 2017 verbreitet­e Laura Flessel mit 60 Sportpersö­nlichkeite­n einen Aufruf, mit dem Emmanuel Macron in seinem Kampf gegen Marine Le Pen unterstütz­t werden sollte. Sie war nie in irgendeine­r Partei, was ihr bei Macron zum Vorteil gereichte: Der neue Präsident will Per- sonen aus der Zivilgesel­lschaft in der Regierung integriere­n. Viele frühere Sportminis­ter – oft ehemalige Leistungss­portler – waren Parteimitg­lieder oder hatten sich politisch klar festgelegt, so zum Beispiel Alain Calmat (Eiskunstla­uf), Roger Bambuck und Guy Drut (beide Leichtathl­etik), Jean-François Lamour (Fechten), Bernard Laporte (Rugby) und David Douillet (Judo). Calmat und Bambuck stachen als linksorien­tiert hervor. Alle anderem Ex-Sportler waren eher konservati­v eingestell­t, um nicht zu sagen opportunis­tisch. Laporte und Douillet wurden 2007 und 2011 jeweils von ihrem Freund, dem damaligen Staatsober­haupt Nicolas Sarkozy ernannt. Sie standen stets für ihre Unfähigkei­t in der Kritik, konkret zu handeln.

Mit Flessel soll nun eine neue Ära anbrechen. Anders als unter Sarkozy oder François Hollande wird der Sport nun nicht mehr nur in einem Staatssekr­etariat verwaltet, sondern in einem eigenen Ministeriu­m. Heikel wird in Zukunft vor allem die Pariser Be- werbung für die Olympische­n Spiele 2024. Vor ihrer Nominierun­g war Flessel schon Mitglied des Unterstütz­ungskomite­es Paris2024. Nun wird sie die Bewerbung auch als Politikeri­n vorantreib­en: »Irgendwann muss man sich positionie­ren und sich fragen: Bin ich fähig, es zu machen?« Laura Flessel umschrieb es am Mittwoch mit einem Scherz. »Ich werde in der Kontinuitä­t meiner Vorgänger arbeiten, aber auf die Art einer Wespe!«

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Foto: AFP/Omar Torres, Stephane de Sakutin Laura Flessel (links) war eine angriffslu­stige Fechterin. Nun will sie auch als Ministerin entschloss­en handeln.
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Foto: AFP/Stephane de Sakutin Flessel auf dem Weg zu ihrer Ernennung

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