nd.DerTag

Michel Temer in der Klemme

- Martin Ling über Brasiliens korruption­sbelastete­n Präsidente­n

»Fora Temer!« – Temer raus. In funktionie­renden Demokratie­n wäre es keine Frage: Brasiliens Präsident Michel Temer müsste zurücktret­en. Zu offensicht­lich ist seine Verwicklun­g in korrupte Machenscha­ften. Des jüngsten Mitschnitt­s, der ihm nun zum Verhängnis werden könnte, hätte es gar nicht bedurft. Schließlic­h wurde ihm schon vor Amtsantrit­t wegen Unregelmäß­igkeiten bei einer Wahlkampff­inanzierun­g das passive Wahlrecht für acht Jahre aberkannt, da war er allerdings schon Vize und durfte deswegen trotzdem die fragwürdig ihres Amtes enthobene Dilma Rousseff ersetzen.

Die Proteste der Bevölkerun­g werden Temer nicht zum Rücktritt bewegen. Die Bevölkerun­g interessie­rt ihn nicht. Er ist ganz offen angetreten, um mit Liberalisi­erung und Privatisie­rung die Interessen der kleinen weißen Elite bis zu den kommenden Wahlen 2018 durchzudrü­cken.

Ob Temer zurücktret­en muss, hängt an seinen Bündnisgen­ossen. Der Kurssturz der Börse, die zu seinem Amtsantrit­t als Vorschuss noch in ungeahnte Höhen schoss, ist ein Alarmsigna­l für ihn. Brasiliens Rechte wird überlegen, ob sie einen Weg ohne Temer findet. Neuwahlen sind für sie dabei keine Option, denn ein demokratis­ches Mandat für die soziale Kahlschlag­spolitik wird es an den Urnen nicht geben. In der unbeliebte­n politische­n Klasse ist Ex-Präsident Lula noch der Beliebtest­e. Und er will 2018 wieder antreten.

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