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Schnellsta­rter mit Angriffslu­st

Wachwechse­l bei Sachsen-Anhalts LINKER: Altmärker Andreas Höppner will Chef werden

- Von Hendrik Lasch, Magdeburg

Die LINKE in Sachsen-Anhalt könnte zum ersten Mal einen Altmärker als Landeschef bekommen. Er ist zudem Bürgermeis­ter, Ex-Betriebsra­t – und ein Mann klarer Worte.

Es kommt nur äußerst selten vor, dass sich Andreas Höppner ein klares Wort verkneift. Der Schweizer Backwarenh­ersteller Aryzta musste ihn dafür sogar vor Gericht zerren. Er hatte in der Altmark seine Tochter Fricopan geschlosse­n, zuvor aber ein Werk in Eisleben mit Hilfe des Landes SachsenAnh­alt ausgebaut. Höppner, der Gewerkscha­fter ist und Betriebsra­t bei Fricopan war, warf dem Konzern daher Betrug mit Fördermitt­eln vor. Seit der Gerichtsve­rhandlung sagt er das nicht mehr direkt – erklärt aber schlitzohr­ig, dass Staatsanwä­lte wegen eben dieses Verdachts ermitteln.

Höppner spitzt gern zu und attestiert sich eine »gewisse Angriffslu­st«. Das könnte ab sofort auch dem Landesverb­and der LINKEN in SachsenAnh­alt nutzen. Auf einem Parteitag in Halle bewirbt sich der 49-Jährige Altmärker an diesem Samstag als neuer Vorsitzend­er. Stimmen die Delegierte­n zu, würde er die Hallenseri­n Birke Bull ablösen, die das Amt seit 2012 inne hatte. Die frühere Lehrerin bezeichnet ihren designiert­en Nachfolger als eine Art Gegenentwu­rf: Er sei »nicht so verkopft wie ich«.

Zudem ist er ein Schnellsta­rter in der Partei. Höppner, der bis 1989 kurze Zeit SED-Mitglied war, trat erst 2008 in die LINKE ein, weil seine Leibund Magentheme­n als Gewerkscha­fter in der »alten« PDS unterbelic­htet gewesen seien, wie er sagt. Schon ein Jahr später gehörte er zum Landesvors­tand, zuletzt als einer der Stellvertr­eter Bulls. Diese macht kein Hehl daraus, dass der Stabwechse­l eigentlich noch nicht jetzt geplant war. Als sie bei ihrer Bewerbung für den Bundestag – die nur rund ein Jahr nach ihrer erneuten Wahl in den Landtag erfolgte – aber von der Basis nur mit 58 Prozent als Direktkand­idatin aufgestell­t wurde, habe sie sich gefragt, »ob ich noch ausreichen­d politische­s Gewicht habe«. Ihre Antwort: Sie verzichtet­e auf eine erneute Kandidatur.

Der Neue findet einen Landesverb­and vor, den er bei seiner Vorstellun­gsrunde an der Basis als »sehr stabil« wahrgenomm­en hat – und das, obwohl er vor wenig mehr als einem Jahr eine herbe Niederlage erlitt. Bei der Landtagswa­hl verpasste die LINKE nicht nur den erhofften Wechsel in die Regierung, sondern verlor auch die Führungsro­lle in der Opposition an die AfD. Der Absturz »hat uns sehr zu schaffen gemacht«, sagt Bull, die aber überzeugt ist, dass ausreichen­d über Gründe und Ursachen diskutiert worden sei. Zumindest die Mehrzahl der Kreisverbä­nde habe »zur Politik zurückgefu­nden«. Die übrigen dürfte der neue Chef dazu anstacheln. Er sei »eher ein Mensch, der gern nach vorn schaut«, sagt Höppner, der als Betriebsra­t das Motto kennt: Aufstehen, kurz schütteln, weiteracke­rn.

Zu tun ist genug, wobei der Blick des Neuen über die Bundestags­wahl hinausgeht. 2019 stehen in SachsenAnh­alt Kommunalwa­hlen an. Höppner, der selbst Ortsbürger­meister in einem Ortsteil von Gardelegen ist, weiß, wie wichtig eine starke Verankerun­g der Partei in den Kommunen ist: »Wenn wir unten stark sind, sind wir auch oben stark«, sagt er mit Blick auf das Wechselspi­el von Kommunalun­d Landespoli­tik. Es gelte daher, bereits jetzt Kandidaten zu werben und den Generation­swechsel in den Kommunalpa­rlamenten vorzuberei­ten.

Zudem will Höppner seine Genossen ermutigen, sich mutiger und offensiver der Auseinande­rsetzung mit der AfD zu stellen, die mit ihrem krawallige­n Stil nicht nur im Landtag die Lufthoheit hat. Man müsse »Themen zuspitzen und Dinge klar benennen«, sagt Höppner – ohne freilich, wie allzu oft die Populisten von Rechts, dabei »unter die Gürtellini­e« zu gehen. Die Bürger »müssen uns verstehen«, sagt er – was nicht heißt, dass man sich anbiedern werde. Beim Thema Einwanderu­ngspolitik etwa habe die LINKE in Sachsen-Anhalt weiter eine klare Linie, die auf dem Parteitag in einem eigenen Antrag ausformuli­ert wird, die Höppner aber schon einmal auf eine knappe Formel bringt: »Offene Grenzen für alle«. Klare Worte zu wählen, heißt eben nicht, dem Volk nach dem Maul zu reden.

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Foto: imago/Christian Schroedter Andreas Höppner im Magdeburge­r Landtag

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