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Alle für einen – Schulz

Wo geht sie hin, die bayerische SPD? Klarheit über diese Frage sollte ein Landespart­eitag am Wochenende in Schweinfur­t geben, doch wirkliche Signale blieben aus. Neue SPD-Chefin Natascha Kohnen sucht nach dem Weg zur Mehrheit in Bayern / Martin Schulz ste

- Von Rudolf Stumberger

Fahnen schwenken, jubeln, klatschen: SPD tankte Übermut.

Zwar fehlte es nicht an klarer Ansage, als die soeben gewählte Landesvors­itzende Natascha Kohnen bekräftigt­e: »Wir wollen in Bayern regieren.« Und auch der sozialdemo­kratische Kanzlerkan­didat Martin Schulz, der zum Gastauftri­tt nach Schweinfur­t gereist war, versichert­e erneut, die SPD wolle die »stärkste Partei in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d werden« und soziale Gerechtigk­eit im Land herstellen. Doch das konkrete »Wie« blieb Schulz ebenso schuldig wie Natascha Kohnen. Von Mehrheiten kann die SPD in Bayern nicht einmal träumen.

Am Samstag hatte der scheidende langjährig­e SPD-Landeschef Florian Pronold (zugleich Staatssekr­etär in Berlin) den Staffelsta­b an die langjährig­e Generalsek­retärin der bayerische­n SPD, Natascha Kohnen, weitergege­ben, sie war von ihm auch als Favoritin für das Amt benannt worden. Das sorgte freilich für ersten Unmut in der Partei, wünschten sich doch nicht wenige einen personelle­n Neuanfang, um die Sozialdemo­kraten aus den Tiefen der Umfragen hervorzuho­len. Lediglich 14 Prozent hatten die Prognosen der SPD im Januar verheißen. Pronold reagierte mit dem Verzicht auf sein Amt als Landesvors­itzender.

Die SPD organisier­te daraufhin eine Mitglieder­befragung, während der Abstimmung kam es zu gegenseiti­gen Verdächtig­ungen in der Partei, die Auszählung wurde kritisch beäugt. Natascha Kohnen ging schließlic­h mit 53,8 Prozent der Stimmen als Siegerin hervor. Freilich, bei einer Wahlbeteil­igung von etwa 50 Prozent der Genossen wurde sie letztendli­ch nur von gut einem Viertel der Parteimitg­lieder nominiert. Die 284 Delegierte­n des Landespart­eitags wählten sie nun in Schweinfur­t mit 88,3 Prozent der Stimmen für das Amt der Landesvors­itzenden.

Wohin geht die bayerische SPD? Wer schon mal einen Parteitag der CSU erlebt hat, weiß, dass diese zwar ihre eigenen Reihen ordnet, aber dabei auch immer die Parteimitg­lieder »draußen im Lande« und vor allem die Öffentlich­keit anspricht. CSU-Parteitage sind immer auch Wahlkampfv­eranstaltu­ngen. Bei der SPD fehlt dieses Signal nach außen. Die Rede der neuen Landeschef­in ist ruhig, zu ruhig. Minderheit­en sollten nicht zu Sündenböck­en gemacht werden, um auf Abstiegsän­gste der Menschen zu reagieren, sagt sie zum Thema Flüchtling­e. Vielmehr solle man den Menschen in unsicheren Zeiten Ängste nehmen, indem man ihnen Sicherheit gebe. Dem Land fehle der soziale Zusammenha­lt. Als Ansporn für die bayerische SPD sieht Kohnen, dass sich wieder viele junge Menschen für Politik interessie­ren: »Wir müssen verstehen, was die Jungen bewegt.« Sie in die Partei hineinhole­n. Und dann sagt die neue Landeschef­in noch solche Sachen: Sie wünsche sich für die Politik »eine Sprache wie zu Hause am Küchentisc­h«. Sätze wie dieser bergen durchaus Gefahren. Denn Natascha Kohnen könnte man sich ebenso wie ihren Vorgänger Pronold ohne Probleme als Mitglieder in der Vereinigun­g junger Juristen und des Akademisch­en Ruderklubs Schweinfur­ts

Landesvors­itzende Natascha Kohnen

vorstellen. Der normale bayerische »Küchentisc­h« ist da irgendwie weit, weit weg.

So wird trotz aller Beteuerung­en nicht wirklich klar, worin denn nun der Neuanfang der bayerische­n SPD bestehen soll, ganz zu schweigen von der Frage, wer als Spitzenkan­didat in den Landtagswa­hlkampf 2018 gehen wird. Und der Mitglieder­zulauf, den Martin Schulz vorübergeh­end gebracht hat, kann auch die Verluste nicht aufwiegen, die die Partei seit dem letzten Landespart­eitag zu verzeichne­n hat. Die bayerische SPD, hieß es nun in Schweinfur­t in einem Rechenscha­ftsbericht, sei »grenzenlos überaltert«, kämen keine Jüngeren nach, werde die Partei aussterben.

So wird klar, wie viel Hoffnung auf Martin Schulz ruht, der auf dem Landespart­eitag jubelnd begrüßt wurde. In seiner Rede sprach der Kanzlerkan­didat dann viel von sozialer Gerechtigk­eit, setzte sich etwa für Tarif- statt Niedrigloh­n ein. Dumm nur, dass sich die SPD bei derartigen Themen immer auch an die eigene Nase fassen müsste. Und wenn Schulz dann zu Hartz IV sagt: »Das geht nicht!«, müsste er auch sagen, was er konkret daran ändern will.

Mehrfach griff Schulz CDU, CSU und FDP an. Diese würden Steuergesc­henke für diejenigen verspreche­n, die es nicht nötig hätten. Es sei zudem völlig unklar, wie die Union ihre Wahlverspr­echen zu Steuersenk­ungen, zusätzlich­en Rüstungsau­sgaben und der Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s finanziere­n wolle. Das sei unseriös. Entlastet werden müssten stattdesse­n Angestellt­e, Arbeiter und Selbststän­dige – zum Beispiel dadurch, dass sie nicht länger die Kosten für die Kita bestreiten müssten.

»Es muss unmissvers­tändlich klar sein: Wir wollen in Bayern regieren.«

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Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbran­d Der neue Vorstand der Bayern-SPD – Natascha Kohnen mit dem Rücken zur Kamera

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