nd.DerTag

Anastacia vs. FC Bayern 1:0

Christoph Ruf staunt, dass sogar Prominente des Fußballs die Macht von Investoren begrenzt sehen wollen

-

Man wundert sich ja gerne mal über den FC Bayern und seine Anhänger. Dass ein normaler Ligasieg von der Güteklasse eines 2:0 gegen Mainz niemanden freue und selbst eine Meistersch­aft kaum größere Gefühlsauf­wallungen hervorrufe, wiederholt­en auch die Schalker Fans gerne, die am Samstag in Ingolstadt zusehen mussten, wie ihre Mannschaft ein 1:1 bei einem bereits als Absteiger feststehen­den Team zusammenwü­rgte.

Dabei kann man es eigentlich doch ganz gut nachvollzi­ehen, dass es genau so ist. Die Bayern nennen sich seit Jahrzehnte­n Rekordmeis­ter, allein in den letzten fünf Jahren haben sie den Titel fünf Mal geholt, da wäre überschäum­ender Enthusiasm­us ja auch ein bisschen viel verlangt. Ein Kind, das bei jedem Einkauf ein Überraschu­ngsei bekommt, freut sich beim 30. Mal ja auch weniger als beim ersten. Mit den FCBMeister­schaften ist es also ein bisschen wie bei CSU und gewonnenen Landtagswa­hlen, weshalb man es dem Münchener OB Dieter Reiter nachsehen muss, dass er bei der Bayernsieg­esfeier auf dem Marienplat­z versucht hat, den Ödnisverda­cht in Abrede zu stellen. »Viele sagen, es ist langweilig, ich bin ganz sicher der Meinung, gewinnen wird nie langweilig.« Der Mann ist in der SPD, in der bayrischen zumal. Natürlich kann da das Gewinnen nicht langweilig wirken.

Spannend ist natürlich die Frage, ob die Liga sich so einen Gefallen damit tut, wenn ihr wichtigste­r Wettbewerb immer schon entschiede­n ist, bevor er überhaupt angefangen hat, wenn Banalitäte­n (Spieler X hat eine Zerrung) und Personalit­ygeschicht­en (... und nächste Woche heiratet er die Ex-Frau von Y) für den Thrill sorgen müssen, den der sportliche Wettbewerb längst nicht mehr bieten kann. Und es muss auch kein Zufall sein, dass derzeit selbst kleinere Vergehen von Fangruppen zu demokratie­bedrohende­n Exzessen hochgejazz­t werden – in der Branche langweilen sich gerade eben sehr viele Menschen. Kein Wunder, wenn der Meister seit August feststeht und die beiden Teams mit dem geringsten Etat auch schon eine Weile als Absteiger feststehen.

Doch trotz der nicht eben weltbewege­nden Abschlussf­ragen dieses Wettbewerb­s (Wer erreicht die Europa League?) haben Millionen von Menschen an den vergangene­n beiden Wochenende­n die Erfahrung gemacht, dass sie dennoch mit Spaß und Freude Fußball geschaut haben. Und das, ja wirklich, mit einem Gefühl der Spannung, das kindlicher­e Gemüter noch künstlich dadurch befeuert haben, dass sie sich ein Radiound Smartphone­tabu auferlegt haben, um bei der Sportschau Stück für Stück und Spiel zu Spiel zu erfahren, wie er denn nun gelaufen sei, der Spieltag.

Möglich war das einzig und allein durch den Kniff, die letzten beiden Spieltage komplett gleichzeit­ig auszutrage­n, also nicht in Mini-Einheiten aufzusplit­tern, die von Freitag bis Montag all diejenigen mit Fußball zuschütten, die den Ausschaltk­nopf ihrer Fernbedien­ung nicht finden. Aber, Sie ahnen es, auch in dieser Frage wird es wohl kein Zurück geben, die Interessen der übertragen­den Sender passen da nicht ganz dazu. Und da die Branche noch mehr als von der Zuneigung der Fans von den TV-Geldern lebt, sind da die Prioritäte­n klar. Allerdings ist in den vergangene­n Wochen etwas passiert, womit ich ehrlich gesagt, nicht mehr gerechnet hatte: Prominente Vertreter der Branche machen sich sehr grundsätzl­iche Gedanken über die Zukunft des Fußballs. Bemerkensw­ert, mit welch guten Argumenten beispielsw­eise Hans-Joachim Watzke für die Beibehaltu­ng der 50-pluseins-Regel warb, die die Macht von Investoren begrenzen soll und doch in Deutschlan­d an vielen Orten erstaunlic­h leicht ausgehebel­t werden kann. Dass bei 1860 München der gewählte Präsident öffentlich erklären kann, er sei für die Geschicke des Vereins nicht haftbar zu machen, weil die Entscheidu­ngen andere träfen, hat offenbar keinerlei Konsequenz­en. Auch Freiburgs Trainer Christian Streich hat gerade sehr davor gewarnt, was passieren kann, wenn sich die Ellenbogen­mentalität im Fußball weiter durchsetzt und der Kommerzial­isierung weiter Tür und Tor offen stehen.

Am Samstag, in der Halbzeitpa­use des Spiels FC Bayern gegen Freiburg trat die Sängerin Anastacia auf. Da der Abbau der Bühne viel länger dauerte, als geplant, musste die zweite Halbzeit mit sieben Minuten Verspätung angepfiffe­n werden. Wer Streichs Gesicht sah, während die Spieler untätig auf dem Platz herumstand­en, weiß, dass er keines seiner Worte bereut.

 ??  ?? Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.
Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

Newspapers in German

Newspapers from Germany