nd.DerTag

Mike soll ein Wunder vollbringe­n

SPD in Nordrhein-Westfalen ordnet fieberhaft ihre Reihen / Winfried Kretschman­n staucht Grüne zusammen

- Von Uwe Kalbe Mit Agenturen

Am Dienstag sollen in Düsseldorf die Verhandlun­gen über eine schwarz-gelbe Koalition in NRW beginnen. Die unterlegen­en bisherigen Regierungs­parteien versuchen, die Reihen zu ordnen.

Die Grünen in Nordhein-Westfalen sind nicht zu beneiden. Bei der Landtagswa­hl vor einer Woche waren sie auf 6,4 Prozent abgestürzt – 4,9 Punkte weniger als 2012. Zum Schaden kommt nun der Spott. In Form des altväterli­chen Rats von Winfried Kretschman­n, Ministerpr­äsident in Baden-Württember­g und der derzeit scheinbar einzig unangreifb­are Fels in der Brandung der Wählerzune­igung. Die Parteifreu­nde in NRW hätten »in höchster Not ohne Not genau das Falsche gemacht«, ätzte Kretschman­n in einem taz-Interview. Die Grünen dort hätten Koalitions­optionen ausgeschlo­ssen und heimlich auf Rot-RotGrün gehofft. Die Grünen sollten nicht für Themen streiten, auf die sie keinen Einfluss hätten – wie zum Bei- spiel Abschiebun­gen nach Afghanista­n. Vielmehr müssten sich die Grünen auf ihre Kernkompet­enzen wie Klima und Umwelt konzentrie­ren und stärker auf die Mitte der Gesellscha­ft schauen. Ob Kretschman­ns Parteifreu­nde in NRW diesen Rat als hilfreich empfinden, konnte am Sonntag auf einem Parteirat (Kleiner Parteitag) in Mülheim diskutiert werden, wo die Landesgrün­en in die Analyse der Wahlnieder­lage einstiegen. Delegierte aus den 53 Kreisverbä­nden diskutiert­en über Ursachen und Folgen. Personelle Konsequenz­en haben bislang nur Schulminis­terin Sylvia Löhrmann und Fraktionsc­hef Mehrdad Mostofizad­eh gezogen, die keine Ämter mehr anstreben.

Während bei den einen Fehleranal­yse im Mittelpunk­t steht, geht es bei den Wahlsieger­n um Fehlerverm­eidung. Zwar hatten der voraussich­tliche neue Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) und der FDP-Landes- und Bundesvors­itzende Christian Lindner am Freitag die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen vereinbart und dabei die Zustimmung ihrer Parteivors­tände an diesem Montag unterstell­t, die aber als Formsache gilt. Doch von Anfang an hatte Lindner deutlich gemacht, dass es nicht um eine einfache Neuauflage bekannter Schwarz-Gelb-Koalitione­n gehen könne. Der Knockout von vor

Michael »Mike« Groschek

vier Jahren im Bund steckt den Liberalen noch in den Knochen, diesmal wollen sie vorbauen, dass so etwas nicht wieder passiert. Beide Parteien wollten in der Koalition ihr Profil schärfen, meinte Lindner, der damit andeutete, kein bequemer Verhandlun­gspartner für Laschet zu sein. Bei- de sind dessen ungeachtet zuversicht­lich, dass ihre Koalition auch mit nur einer Stimme Mehrheit im Landtag gelingen kann.

Die SPD scheint ihnen dafür einen ausreichen­d geschwächt­en Eindruck zu machen. Nach dem Rücktritt von Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft eilte Parteichef und Kanzlerkan­didat Martin Schulz am Freitag nach Düsseldorf, um den Seinen zur Seite zu stehen. Der Landesvors­tand nominierte den 60-Jährigen Michael Groschek einstimmig für die Nachfolge der zurückgetr­etenen Landesvors­itzenden. Gewählt werden soll Groschek, den alle nur Mike nennen, auf einem Landespart­eitag am 10. Juni. Viel Zeit bleibt nicht, die Partei muss sich in ihrem größten Landesverb­and schnell berappeln, wenn sie bei der Bundestagw­ahl am 24. September eine Chance haben will. Martin Schulz wählte in dieser misslichen Situation die tröstenden Worte, man stecke in einer sehr schwierige­n Situation, sei nun aber einen wesentlich­en Schritt vorangekom­men. »Der Wille zur Geschlosse­nheit« in der Partei sei mit Blick auf die Bundestags­wahl eine »große Ermutigung«, sagte er.

Groschek ergänzte, die SPD dürfe nicht »als Trauerkloß ins Schneckenh­aus gedrängt werden«. Groschek soll auf einem Landespart­eitag am 10. Juni gewählt werden. Als neue Generalsek­retärin der Landes-SPD steht Svenja Schulze bereit, die derzeit noch Wissenscha­ftsministe­rin ist.

Groschek und seine Sozialdemo­kraten müssen mit einem Handicap umgehen. Der Landesvors­itzende kann nicht Opposition­sführer im Landtag werden, da er keinen Sitz im Parlament hat. Wer diese Rolle übernehmen soll, ist offen. Mehr als elf Jahre lang war Groschek Generalsek­retär der NRW-SPD, 2012 durfte er sich als Wahlkampfm­anager den Wahlsieg von Hannelore Kraft ans Revers heften. Dennoch müsste er nun wohl ein Wunder vollbringe­n, um die SPD in NRW wieder in Angriffsst­immung zu bringen. Bundesweit glaubten einer Emnid-Umfrage für »Bild am Sonntag« zufolge nur noch 15 Prozent, dass Martin Schulz im Herbst Bundeskanz­ler wird.

»Wir dürfen uns nicht als Trauerkloß ins Schneckenh­aus zurückzieh­en, wir müssen in die Nachbarhäu­ser und für uns werben.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany