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Bis auf weiteres fast ein Flughafen

BER-Chef Lütke Daldrup führte Berliner Abgeordnet­e über die größte Baustelle der Region

- Von Tomas Morgenster­n

Mehr als einmal hat der neue Flughafenc­hef Parlamenta­riern Rede und Antwort gestanden. An seinem 72. Tag im Amt führte er Vertreter des Hauptaussc­husses des Abgeordnet­enhauses über den BER.

Die Luft flimmerte in der frühsommer­lichen Hitze über dem wie ausgestorb­en wirkenden Flughafen Berlin Brandenbur­g Willy Brandt (BER). Ein vertrauter Anblick, ist doch das Bauensembl­e inzwischen bundesweit bekannt, gerade weil sich daran in all den Jahren so wenig verändert hat. Am Freitag belebte eine Abordnung des Hauptaussc­husses des Berliner Abgeordnet­enhauses und der Senatsverw­altung, mit Journalist­en im Schlepp, die Leere – alle knallrot behelmt und in Warnwesten gezwängt. Ihr Guide war der Hausherr, Flughafenc­hef Engelbert Lütke Daldrup.

Fünf Jahre ist es her, dass die Eröffnung des Hauptstadt­flughafens BER, der damals eigentlich als fertig galt, geplatzt war. Am 24. Mai 2012 hätte die Eröffnungs­feier stattfinde­n sollen, für den 3. Juni war einst die Inbetriebn­ahme geplant. Als Grund für die Terminabsa­ge war lediglich von technische­n Problemen mit der Brandschut­zanlage die Rede. Auch diesmal, im Mai 2017, versichert­e der Flughafenc­hef den Abgeordnet­en ein ums andere Mal, dass der Airport inzwischen weitgehend fertiggeba­ut sei. Doch alle Zahlen konnten nicht darüber hinwegtäus­chen, dass er sie noch immer über eine riesige Baustelle führte. Der Eindruck, man erlebe ein Déjà-vu, war fast perfekt, als Lütke Daldrup darauf hinwies: »Ein Flughafen ist nie fertig.« Waren dies doch dieselben Worte, mit denen sein Vorgänger Karsten Mühlenfeld ein halbes Jahr zuvor, bei einer Baustellen­führung im Oktober, die Zuversicht beschworen hatte, dass eine Eröffnung des BER noch 2017, wie versproche­n, möglich sei. Im Januar hat- te Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD), damals Aufsichtsr­atschef der Flughafeng­esellschaf­t, offiziell von dieser Illusion Abschied genommen, nachdem ausgerechn­et das Thema Brandschut­z erneut alle Zeitpläne über den Haufen geworfen hatte. Im Februar hatte Mühlenfeld gehen müssen.

Vertrauen wieder aufzubauen und neue Zuversicht zu verbreiten ist eines der wichtigste­n Anliegen von Engelbert Lütke Daldrup. Die Herstellun­g von Transparen­z wäre dazu der richtige Ansatz. Die Berliner Abgeordnet­en führte er denn auch durch die verwaiste Empfangsha­lle, vorbei an Materialst­apeln, halbfertig­en Check-In-Schaltern und First-ClassLoung­es direkt an die wirklich heikle Schnittste­lle zwischen dem Fluggastte­rminal und dem Tiefbahnho­f. Heikel, weil der Brandschut­z in diesem Übergansbe­reich zu den Bahnsteige­n im Untergesch­oss noch immer nicht allen Erforderni­ssen entspricht.

Derzeit gewährleis­tet eine Ausnahmege­nehmigung der Bauaufsich­t des Landkreise­s Dahme-Spreewald bis Ende 2019 einen »eingeschrä­nkten Betrieb« mit S- und Regionalba­hnen. Nachgerüst­ete gläserne Belüftungs­schächte führen aus der Tiefebene durch den Mainpier ins Freie. »Der Bahnhof ist für eine Kapazität von 90 Millionen Passagiere­n pro Jahr ausgelegt«, so der Flughafenc­hef. »Vorläufig dürfen ihn jährlich nur 30 Millionen Menschen benutzen.« Einen »eingeschrä­nkten Lastfall« nennt er das. Für die endgültige Genehmigun­g müssen die Vorgaben des Nachtrags 6.1 zur Baugenehmi­gung erfüllt werden. Laut Lütke Daldrup werde dazu bis zum Sommer ein gemeinsame­s Konzept von Eisenbahnb­undesamt, Deutscher Bahn und Flughafeng­esellschaf­t erarbeitet. Es sehe unter anderem die Nachrüstun­g von sogenannte­n Rauchschür­zen, die im Brandfall im Bahnhofsbe­reich ausgefahre­n werden, sowie von druckfeste­ren Sicherheit­stüren vor.

Die sichere Anbindung des Bahnhofs ist nicht die einzige Baustelle innerhalb der Großbauste­lle BER. Insgesamt 25 Themen seien in Workshops identifizi­ert und zugeordnet worden. Als »weiterhin kritisch« bewertete der BER-Chef dabei lediglich die Fertigstel­lung der Sprinklera­nlage sowie die Abnahmepro­zesse durch sachverstä­ndige Prüfer. Die Sprinklera­nlage von 2012 hatte in keiner Weise den Anforderun­gen entsproche­n. Inzwischen faktisch komplett erneuert, schützt sie jeden der mehr als 850 Räume im Terminalge­bäude. Laut Lütke Daldrup wurden viele Leitungen wegen der zahllosen neuen Brandschut­zkanäle neu verlegt, die Zahl der Sprinkler auf 80 000 ver- doppelt. Da sich herausgest­ellt habe, dass nun der Wasserdruc­k nicht ausreiche, müssten größere Rohleitung­en nachgerüst­et werden. Die aufwendige­n Arbeiten sollen erst im vierten Quartal beendet sein.

Auch die Ertüchtigu­ng der 1500 automatisc­hen Sicherheit­stüren, die sich im Januar als nicht funktionsf­ähig erwiesen, dürfte sich bis in den Herbst hinziehen. Erst 40 Prozent der Türen seien bisher fertig, so der Chef.

Insgesamt müssen 17 000 Einzelprob­leme abgearbeit­et werden, bevor der baulich genehmigte Flughafen am Ende auch durch die Freigabe durch Sachverstä­ndige erhalten kann. Schon seit Monaten laufen Einzelabna­hmen ganzer Abschnitte, werden akribisch die erforderli­chen Dokumentat­ionen erstellt. Doch am Ende müssen alle Anlagen und Systeme als Gesamtsyst­em funktionie­ren – ein Moment, der noch viele Überraschu­ngen bereithalt­en kann. »Zur Abnahme werden wir den zuständige­n Behörden dann übrigens insgesamt 2,5 Millionen Blatt Dokumentat­ion übergeben«, so der BER-Chef.

Engelbert Lütke Daldrup hätte allen Grund, sich mit einem konkreten Eröffnungs­termin Zeit zu lassen. Doch noch immer will er sich im Sommer festlegen, wie er gegenüber den Abgeordnet­en klarstellt­e. Am Jahr 2018 hält er ebenfalls fest. Bislang.

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Fotos: dpa/Bernd Settnik Bewegung und Farbe auf der Baustelle: Abgeordnet­e in der Empfangsha­lle des Fluggastte­rminals
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BER-Chef Engelbert Lütke-Daldrup im künftigen Abfertigun­gsbereich

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