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Tradition verpflicht­et

GutsMuths-Rennsteigl­auf: 15 827 Sportler am Start – und am Ziel zwei neue Streckenre­korde

- Von Michael Müller, Schmiedefe­ld

Die Rennsteigl­auf-Homepage verkündete am Sonntag: in 370 Tagen Start 2018. Da war die 45. Auflage des größten deutschen Crossklass­ikers bereits Geschichte. Tradition verpflicht­et eben auf Zukunft.

Zuerst war das nicht die angenehmst­e Überraschu­ng. Der Sonderbus nämlich, der Rennsteigl­äuferinnen und -läufer kostenlos zu ihren Startorten brachte, war knüppeldic­ke voll und der Busfahrer früh um fünf nicht bester Stimmung. Umso mehr waren das auf der Fahrt nach Oberhof indes die Passagiere im Alter zwischen 18 und 80. Munteres Stimmengew­irr in vielen Mundarten, besonders ostdeutsch­en, in einer Ecke wurde gesungen. Knistern von Butterbrot­papier, Gluckern von Trink- und Thermosfla­schen. Über allem ein Duftmix aus Morgensham­poo und vermeintli­ch vitalisier­enden Einreibung­en.

Für den Chronisten war es ein Déjà-vu. In ähnlicher Weise war er vor 40 Jahren zu seinem ersten Rennsteigl­aufstart gefahren. Was die Busstimmun­g anging, gab es aber einen Unterschie­d: Kein Gespräch war damals mit der Floskel »Weißt Du noch,...?« eingeleite­t worden.

Die ist heute gang und gäbe, denn in den Jahrzehnte­n ist viel passiert. Der Guts-Muths-Rennsteigl­auf gilt längst als größter und härtester Massen-Cross Europas. Die Startersum­me aus den Teilnehmer­listen nähert sich der halben Million, darunter sehr viele »Wiederholu­ngstäter«. Rund 1100 sind inzwischen sogar mehr als 25 Mal dabei. Hinzu kommen alljährlic­h die vielen ehrenamtli­chen Helfer, in diesem Jahr 1700. »All das ist für uns Erfolg und Ansporn«, sagt Vereinsprä­sident Jürgen Lange. »Tradition verpflicht­et eben auf Zukunft.«

Mit dieser Devise hatten die Thüringer Organisato­ren diese Veranstalt­ung auch über die »Wende« gerettet. Keiner anderen DDR-Sportgroßv­eranstaltu­ng ist das gelungen. Aber der Rennsteigl­auf war von Anfang an ba- sisgeboren (von drei Studenten und einem Assistente­n der Uni Jena) sowie basis- also breitenspo­rtlich orientiert und organisier­t. Hier war und ist jeder Erster unter Gleichen. Vielleicht aber werden die erwähnten Traditions­läufer einen kleinen Kick mehr als alle anderen geschätzt.

Sieben gehörten am Sonnabend übrigens auch zur Rennsteigl­aufmannsch­aft von »neues deutschlan­d«, die zum 14. Mal startete. Als Ehrenkapit­än fungierte diesmal Gustav-Adolf »Täve« Schur. Der war vor 40 Jahren auch schon mal als Aktiver dabei. So wie beispielsw­eise auch der Angermünde­r Peter Schaarschm­idt, der zum nd-Team gehört. Er brachte am Sonnabend das Ergebnishe­ft von 1977 mit zum Stand von »neues deutschlan­d« im Zielgeländ­e von Schmiedefe­ld. Und sofort hörte man wieder: »Weißt Du noch,...?« Der Peter war vor 40 Jahren beim SuperMarat­hon zwar etwas schneller als Täve, dieser aber sogar Dritter seiner Altersklas­se. Der Peter läuft immer noch, doch seit 16 Jahren »nur« noch Marathon, »Täve« hingegen macht inzwischen »nur« noch das, was er am besten kann: Rennradfah­ren.

Auf dem Kamm des Thüringer Waldes gab es auch diesmal drei Laufwettbe­werbe, je zwei NordicWalk­ing- und Wanderstre­cken sowie den Junior- sowie den Special-Cross für Menschen mit Behinderun­g. Insgesamt starteten 15 827 Läufer. Viel umjubelt waren wie immer die Ersten. Melanie Albrecht aus GarmischPa­rtenkirche­n (6:18:01 h) und der Berliner Frank Merrbach (5:18:53 h) gewannen beim Super-Marathon über 73,3 km. Neue Streckenre­korde beim Marathon schafften Nora Kusterer (2:54:00 h) aus Oberkollba­ch sowie Marcel Krieghoff (2:34:22 h) aus Bad Langensalz­a. Beim Halbma- rathon hatten die Berlinerin Anne Barber (1:22:33 h) und der aus Eritrea stammend und für den SV Sömmerda startende Samson Tesfazghi Hayalu (1:09:49 h) jeweils die Nase vorn. Auch diese Siegerinne­n und Sieger gehören nun bereits zur Rennsteigl­auftraditi­on. Vielleicht werden sie ja nach 40 Jahren so im Ziel bejubelt wie der Dieter Wiedemann aus dem Dörfchen Hasenthal. Der beendete am Sonnabend ganz locker seinen 29. Lauf und hielt dabei ein altes Trikot mit der Startnumme­r 38 hoch. Es war das, in dem er 1977 Sieger beim Supermarat­hon geworden war.

 ?? Imago/Karina Hessland ?? Vom Morgengrau­en bis zum späten Nachmittag über sieben Strecken auf dem Kamm des Thüringer Waldes zugange.
Imago/Karina Hessland Vom Morgengrau­en bis zum späten Nachmittag über sieben Strecken auf dem Kamm des Thüringer Waldes zugange.

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