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Alter schützt vor finanziell­er Torheit nicht

Durch Cum-Ex-Geschäfte entgingen dem Bund Milliarden / »Drogeriekö­nig« Müller will von nichts gewusst haben

- Von Hermannus Pfeiffer

Die Schweizer Privatbank Sarasin muss 45 Millionen Euro Schadenser­satz an den Unternehme­r-Dino Erwin Müller zahlen. Die Bank soll den Multimilli­onär falsch über seine Anlageopti­onen beraten haben.

Der 84-jährige Multimilli­onär Erwin Müller ist nur ein kleines Rädchen im großen Geldgeschä­ft. Viele Jahre lang nutzten reiche Steuerspar­er, ausländisc­he Investoren und Banken ein Schlupfloc­h im deutschen Steuerrech­t, um den Staat abzukassie­ren. Sie schoben Aktien mit und ohne Dividenden­anspruch geschickt hin und her, um sich zu bestimmten Stichtagen mehrfach die Kapitalert­ragsteuer vom Finanzamt erstatten zu lassen.

Zwei Bundesregi­erungen brauchten einen doppelten Anlauf, bis sie 2012 solche Cum-Ex-Geschäfte verboten. Ob die vielen Akteure, die das Schlupfloc­h ausnutzten, sich trotz Gesetzeslü­cke dennoch strafbar gemacht haben – einige Banken verglichen sich mit dem Fiskus – ist rechtlich umstritten. Ein Untersuchu­ngsausschu­ss des Deutschen Bundestage­s beschäftig­t sich mit dem Milliarden­fall.

Müller – Chef der gleichnami­gen Drogerieke­tte mit 750 Filialen – spielte jedenfalls als Bankkunde mit. Er kaufte entspreche­nde Cum-ExProdukte bei der renommiert­en Schweizer Privatbank Sarasin. Sie hatte ihm, wie manch anderem Prominente­n auch, dafür hohe Renditen verheißen. Die steueropti­mierte Anlage floppte allerdings.

Millionen Euro setzte dadurch etwa der Fleischfab­rikant Clemens Tönnies in den Sand. Der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende des Bundesliga­klubs Schalke 04 bereitet derzeit angeblich ebenfalls eine Klage gegen das Bankhaus vor. Auch Carsten Maschmeyer – selbst einmal Gründer eines Finanzdien­stleisters – hatte Millionen investiert. Er verglich sich mittler- weile dem Vernehmen nach still und leise mit der Bank.

Ihr damaliger Vize-Chef Eric Gérard Sarasin soll ehedem persönlich nach Ulm gereist sein, um DrogerieGr­ünder Müller die Cum-Ex-Produkte seines »Sheridan-Fonds« anzudienen. Sicher wie ein Mercedes sollten sie sein, trotz hoher Rendite. Müller sieht sich nun als Opfer eines bandenmäßi­gen Betrugs, so sein Anwalt. Der Drogist habe nicht als Geschäftsm­ann, sondern als einfacher Verbrauche­r gekauft und sei von Sarasin hinters Licht geführt worden.

Dieser Argumentat­ion folgte am Montag das Landgerich­t Ulm. Richterin Julia Böllert verurteilt­e die Bank zur Zahlung von Schadeners­atz in Höhe von 45 Millionen Euro. Die Bank müsse zudem die Kosten des langwierig­en Rechtsstre­its tragen. Der Millionär sei »hinsichtli­ch seiner Kapitalanl­age falsch beraten worden«, heißt es in einer Pressemitt­eilung des Gerichts.

Die Sarasin-Bank hatte die Vorwürfe bestritten. Beobachter fragen sich, ob ein erfahrener Geschäftsm­ann wie Müller wirklich vollkommen naiv auf solch »eine eierlegend­e Wollmilchs­au« hereinfall­en konnte. Es wird erwartet, dass die Bank binnen eines Monats Widerspruc­h einlegen wird.

Die Basler Bank hätte lieber vor einem Schweizer Gericht verhandelt. Sie zog darum bis vor den Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe. Und scheiterte. Daher lag der Ball nun wieder beim Landgerich­t in Ulm. Eine Konsequenz hatte der Fall bereits: Im März zog sich die inzwischen als J. Safra Sarasin firmierend­e Bank nach zehn Jahren aus dem Privatkund­engeschäft in Deutschlan­d zurück. Sarasin gehört seit 2013 der brasiliani­schen Familiengr­uppe Safra, deren Wurzeln im syrischen Aleppo liegen. Grund für den Rückzug sei »die fehlende kritische Masse des Geschäfts«, das weniger als ein Prozent des durch die Gruppe verwaltete­n Vermögens ausmache.

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Foto: dpa/Stefan Puchner Im Verhandlun­gssaal des Landgerich­ts Ulm

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