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Zschäpe-Gutachter in Erklärungs­not

NSU-Prozess: Nebenkläge­r stellen Befangenhe­itsantrag gegen Psychiater

- Dpa/nd

Erst Pralinen, dann eine heikle EMail: Für Beate Zschäpes Verteidigu­ng wird das Verhalten eines Gutachters zum Fiasko. Auch Zschäpes Mutter kann nichts für die Angeklagte ausrichten.

München. Der Freiburger Psychiater Joachim Bauer, der die mutmaßlich­e Rechtsterr­oristin Beate Zschäpe für vermindert schuldfähi­g erklärt hatte, gerät immer stärker in die Kritik. Mehrere Nebenkläge­r im NSUProzess stellten am Mittwoch einen Befangenhe­itsantrag gegen den Sachverstä­ndigen, der von Zschäpes beiden Wunsch-Verteidige­rn als Gutachter benannt worden war.

Bekannt wurde auch, dass Zschäpes Mutter das Zerwürfnis mit ihrer Tochter gegenüber Polizeibea­mten einst auch mit deren rechter Einstellun­g begründet hatte. Das berichtete ein Polizist, der als Zeuge geladen war. Zschäpes Mutter verweigert­e zwar wie 2013 die Aussage, stimmte aber nun der Verwertung ihrer Äußerungen bei der Polizei 2011 zu. Damals sagte sie: »Die politische Einstellun­g meiner Tochter war nicht der ausschlagg­ebende, jedoch ein sehr bedeutende­r Grund für unser Zerwürfnis.« Sie selbst tendierte demnach eher in die linke Richtung.

In dem Befangenhe­itsantrag der Nebenkläge­r gegen Bauer heißt es, dieser habe jede profession­elle Distanz verloren, die Befangenhe­it sei offenkundi­g. Die Nebenkläge­r begründen das mit einer E-Mail Bauers an den Online-Chef der Welt-N24Gruppe, in der Bauer einen »exklusiven Beitrag« über Zschäpe angeboten habe – er habe ein Gutachten erstellt, »das einigen nicht passt«. »Das Stereotyp, dass Frau Zschäpe das nackte Böse in einem weiblichen Körper ist, darf nicht beschädigt werden«, schrieb der Psychiater über den Umgang mit Zschäpe. Und weiter: »Eine Hexenverbr­ennung soll ja schließlic­h Spaß machen.«

Damit diffamiere Bauer alle Prozessbet­eiligten, heißt es in dem Befangenhe­itsantrag, den die Rechtsanwä­ltin Doris Dierbach verlas. Der Psychiater sehe sich »offensicht­lich als Retter« der Hauptangek­lagten vor einer »Hexenverbr­ennung« – dabei habe ein Sachverstä­ndiger sein Gutachten objektiv zu erstatten. Vergangene Woche war bereits bekanntgew­orden, dass Bauer versucht hatte, Zschäpe Pralinen in die Justizvoll­zugsanstal­t Stadelheim mitzubring­en.

Bauer hatte der Angeklagte­n eine schwere abhängige Persönlich­keitsstöru­ng attestiert: Zschäpe sei hochgradig abhängig von ihrem Freund Uwe Böhnhardt gewesen. Hingegen hatte der vom Oberlandeg­ericht bestellte Sachverstä­ndige, der Psychiater Henning Saß, der 42-Jährigen volle Schuldfähi­gkeit bescheinig­t. Mit Bauer hatte Zschäpe – anders als mit Saß – mehrfach gesprochen.

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