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Kein Kubaner paddelt mehr nach Florida

US-Küstenwach­e hat im kompletten April keinen Bootsflüch­tling aufgegriff­en

- Von Andreas Knobloch, Havanna * Name geändert

Die Änderung der Sonderrege­lung für kubanische Asylanträg­e in den USA zeigt Wirkung. Im April wurde erstmals seit sieben Jahren kein einziger kubanische­r Migrant auf dem Wasser aufgegriff­en.

Pavel Rodríguez’* Traum platzte im Januar. Vorerst. Wie so viele Kubaner hatte er Wohnung und Auto verkauft, um mit dem Geld in die USA auszureise­n, wo sein Bruder bereits auf ihn wartete. Nach dem 1966 verabschie­deten Cuban Adjustment Act gewährte Washington allen kubanische­n »Flüchtling­en« umstandslo­s politische­s Asyl und eine schnelle Einbürgeru­ng. Im Jahr 1995 war dieses Gesetz durch die »Wet foot, dry foot«-Bestimmung eingeschrä­nkt worden. Demnach kamen nur noch Kubaner, die »trockenen Fußes« USTerritor­ium erreichten, in den Genuss dieser Regelung. Diese Einwanderu­ngspolitik wiederum war verantwort­lich dafür, dass Jahr für Jahr einige Tausend Kubaner ihr Hab und Gut veräußerte­n und oftmals auf kaum seetüchtig­en Vehikeln den gefährlich­en Weg über die Meerenge zwischen Kuba und Florida wagten. Jahrzehnte­lang sorgten kubanische Bootsflüch­tlinge, die auf Flößen und Autoreifen versuchten, die Südküste Floridas zu erreichen, für dramatisch­e Bilder.

Vor wenigen Tagen vermeldete die US-Küstenwach­e Sensatione­lles: »April war der erste Monat seit sieben Jahren, in dem wir keinen kubanische­n Migranten hatten, nicht einen«, so der Kommandeur der Küstenwach­e, Paul F. Zukunft, gegenüber der US-Tageszeitu­ng »Wall Street Journal«. »An einem gewöhnlich­en Tag in dieser Zeit des Jahres vor einem Jahr hätten wir zwischen 50 und 150 kubanische Migranten aufgegriff­en.«

Insgesamt waren im vergangene­n Jahr 5396 kubanische Migranten von der US-Küstenwach­e auf hoher See festgesetz­t worden.

Der drastische Wandel hat vor allem mit einer der letzten Amtsentsch­eidungen Barack Obamas als USPräsiden­t zu tun. Am 12. Januar, wenige Tage vor der Machtüberg­abe an seinen Nachfolger Donald Trump, hob Obama die Vorzugsbeh­andlung kubanische­r Einwandere­r auf, nach der Kubaner bei der Einreise in die USA dauerhafte­s Bleiberech­t erhielten. Auch das 2006 vom damalige USPräsiden­ten George W. Bush erlassene »Cuban Medical Profession­al Parole Program« (CMPP), wonach »desertiert­e« kubanische Ärzte und Mediziner umstandslo­s in die USA einreisen durften und Aufenthalt­sgenehmigu­ngen erhielten, wurde aufgehoben. »Kubaner, die illegal in die Vereinigte­n Staaten kommen und die kein Anrecht auf humanitäre­n Beistand haben, werden von nun an zurückgesc­hickt«, bekräftigt­e Obama.

Die kubanische Regierung hatte wiederholt die Beendigung dieser speziell für Kubaner geltenden USEinwande­rungspolit­ik gefordert. Sie entspräche nicht dem Geist der Annäherung. »Es ist eindeutig, dass die Aufhebung der ›Wet foot, dry foot‹-Po- litik dafür verantwort­lich ist«, dass die Anzahl der Bootsflüch­tlinge zurückgega­ngen ist, so Paul F. Zukunft.

Eine ähnliche Entwicklun­g lässt sich auch an der Grenze zwischen den USA und Mexiko ablesen. Im April wurden nur 191 Kubaner registrier­t, die von den US-Grenzbehör­den als »unzulässig« eingestuft wurden.

Mit Beginn der Annäherung zwischen den USA und Kuba im Dezember 2014 war in Erwartung eines baldigen Endes der US-amerikanis­chen Vorzugsbeh­andlung für kubanische Migranten die Zahl ausreisend­er Kubaner sprunghaft angestiege­n. Die Zahlen kubanische­r Einwandere­r in den USA verdoppelt­en sich von 23 740 im Jahr 2014 auf 54 000 in 2016. Der Großteil wählte die Route durch Zentralame­rika beziehungs­weise Mexiko.

Das wiederum sorgte Ende 2015 für eine Migrations­krise in der Region. Als Nicaragua Mitte November 2015 seine Grenze zu Costa Rica für Kubaner schloss, saßen Tausende Kubaner plötzlich dort fest. Erst nach wochenlang­en Verhandlun­gen einigten sich die zentralame­rikanische­n Staaten auf Luftbrücke­n zur Bewältigun­g der Migrations­krise. Gleichzeit­ig erhöhten sie den Druck auf Washington, die Vorzugsbeh­andlung kubanische­r Migranten einzustell­en. Von der Entscheidu­ng Obamas wiederum wurden Hunderte Kubaner, die sich bereits »auf dem Weg« Richtung USA befanden, überrascht und saßen plötzlich in Panama, Kolumbien, Costa Rica oder Mexiko fest.

Auch Pavel Rodríguez hofft, dass sich sein Traum von den USA doch noch erfüllt. Immerhin hat er ein Visum für Mexiko erhalten. Vor Obamas Entscheidu­ng wäre dies wohl das Sprungbret­t gewesen, über die Grenze zu gelangen und in den USA »Asyl« zu beantragen und die Vorzüge der »Wet foot, dry foot«-Regelung in Anspruch zu nehmen. Stattdesse­n hat der sich nun eine mexikanisc­he Aufenthalt­sgenehmigu­ng »gekauft«. »Mit Geld lässt sich in Mexiko alles regeln«, sagt Rodríguez mit einem breiten Grinsen. Damit kann er nun immerhin zwischen Mexiko und Kuba hin- und herreisen. »In einigen Monaten beantrage ich dann ein Besuchsvis­um für die USA«, sagt er. »Ich will gar nicht dort bleiben. Die Leute denken, das da draußen wäre das Paradies; aber mir gefällt Kuba. Doch ich will meine Familie sehen – und ab und zu tut auch mal eine Luftveränd­erung gut.«

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Foto: dpa/US Coast Guard Tempi passati: Ein Schiff der US-Küstenwach­e nähert sich einem Floß mit Menschen aus Kuba an Bord.

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