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World Wide Nepp

Bedarf nach Markenarti­keln wird von Betrügern ausgenutzt – Firma aus Berlin betroffen

- Von Martin Kröger

Die Internetkr­iminalität befindet sich in Berlin auf einem Zehn-Jahres-Höchststan­d. Den größten Teil macht der Betrug unter Nutzung des Internets aus. Viele Verbrauche­r fallen auf falsche Webshops herein.

Nach dem Eingang einer automatisc­hen Bestellbes­tätigung hat Claudia Schneider keinen Kontakt mehr zu dem Verkäufer. Die 37-jährige junge Mutter hatte unter einer Berliner Internetad­resse zwei teure Markenstie­fel bestellt – für rund 280 Euro, nur einem Bruchteil dessen, was sie regulär gekostet hätten. Dann merkt sie, dass das Geld ins Ausland transferie­rt wird. »Der Betrag für die Schuhe wurde in chinesisch­en Yen abgebucht«, sagt Schneider. Als Empfänger der per Kreditkart­e angewiesen­en Summe wurde eine Firma in der chinesisch­en Provinzsta­dt Shehzen ausgewiese­n.

Alle E-Mails an die Firma bleiben unbeantwor­tet, und alle Versuche, über die Website des Onlineshop­s Kontakt aufzunehme­n, laufen ins Leere. Weil sie glaubt, Opfer des Abfischens von Kreditkart­endaten zu sein, stellt Schneider Anzeige bei der Polizei, die Kreditkart­e sperrt sie vorsorglic­h.

Einige Wochen später bekommt Schneider überrasche­nd ein Paket aus China: Der Inhalt enthält aber nicht die Stiefel, die sie bestellt hat. Weder Größe noch Farbe noch Marke sind richtig. »Die Schuhe stinken so bestialisc­h, dass wir sie nicht im Haus aufbewahre­n können«, sagt Schneider. Immerhin springt wegen des Warenbetru­ges die Versicheru­ng der Kreditkart­engesellsc­haft ein.

Mit Hilfe einer umfangreic­hen Internetre­cherche und Hinweisen eines Informante­n hat »nd« Tausende solcher aller Wahrschein­lichkeit nach betrügeris­chen Websites identifizi­ert. Sie alle eint: Die Internetse­iten sind auf einem Server in den USA angemeldet, die Onlineshop­s verfügen über kein Impressum, und alle Rechtstext­e sind auf Englisch verfasst. Das ist in Deutschlan­d nicht gestattet. Anders als bei Webshops üblich, gibt es nicht mehrere Zahlungsop­tionen, wie beispielsw­eise Direktüber­weisungen oder Ähnliches, sondern nur eine Möglichkei­t, nämlich die, per Kreditkart­e zu zahlen. Die Websites sind allesamt auf echte deutsche Namen registrier­t. Die Menschen dahinter wissen davon allerdings in der Regel nichts.

Ein Beispiel: Die Berliner Schuhmanuf­aktur »Zign« wurde 2010 ge- gründet. Das Unternehme­n wirbt mit dem Anspruch, »Schuhe mit urbanen, cleanen Designs und hochwertig­er Qualität zu kreieren, die trotzdem bezahlbar sind«.

Gibt man in den gängigen Internetsu­chmaschine­n etwa »Zign online shop« ein, stößt man bereits nach kurzer Zeit auf betrügeris­che Internetan­gebote. Unter dem Suchwort »Herren Schnürschu­he Zign« verweisen fast alle Ergebnisse der Bildersuch­e auf die dubiosen Internetse­iten. Mit einem Klick auf die Bildersuch­e ist auch Claudia Schneider den Neppern – mutmaßlich aus China – auf den Leim gegangen.

Besonders perfide ist: Wer einmal Opfer der Internetbe­trügereien war, wird offenbar selber Teil der kriminelle­n Masche, wie ein Testanruf beim angebliche­n Zign-Shop »schwaerter-druckt.de« belegt. Dass er im Internet als sogenannte­r Domaininha­ber für den Webshop einer Berliner Schuhmarke fungiert, hat Ralf Sum aus Oberwolfac­h in BadenWürtt­emberg nicht gewusst. »Ich ha- be mal Sportschuh­e bestellt, später traf allerdings nur eine gefälschte Ware aus China ein«, sagt er auf ndNachfrag­e. Sehr wahrschein­lich wurden genau bei diesem Warenbetru­g Name, Adresse und Telefonnum­mer abgefischt. Im Fall von Claudia Schneider stellte sich heraus, dass ihre Betrugshom­epage auf den Namen einer Frau angemeldet war, die einen Anruf aus dem Ausland wegen eines angebotene­n Autos erhielt. Der Anruf beim Deutschen Network Informatio­n Center (DENIC), die die ».de«-Webseiten verwaltet, kann immerhin zur Löschung der Fakeshops führen.

Wie die geschädigt­en Berliner Firmen wie »Zign« mit dem Betrug in ihrem Namen umgehen, bleibt allerdings unklar. Weder telefonisc­h noch schriftlic­h wollte sich die Schuhmanuf­aktur zu den Vorgängen äußern.

Geschädigt­e wie Claudia Schneider gibt es unterdesse­n in Berlin zu Tausenden (siehe Kasten). Die 37Jährige hat sich vorgenomme­n, künftig besser aufzupasse­n, wenn sie im Internet einkauft. Gerade versucht sie aber herauszufi­nden, ob mit ihren Daten nicht ein neuer Fakeshop angemeldet wurde.

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Foto: Privat Weder Farbe noch Marke noch Größe wie bestellt: gefälschte Schuhe aus China

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