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Pflöcke für Hamburg einschlage­n

Beim G7-Treffen auf Sizilien geht es auch um das Grundsatzt­hema Handelspol­itik

- Von Hermannus Pfeiffer

Deutschlan­d und China wollen die USA zum Freihandel bekehren. Dabei ist man sich in Sachen Protektion­ismus eigentlich ziemlich einig. Beim G7-Gipfel treffen dennoch teils Welten aufeinende­r.

Donald Trump lernt Europa kennen. In Brüssel traf er am Donnerstag EUKommissi­onspräside­nt Jean-Claude Juncker; anschließe­nd nahm er am Treffen der 29 Staats- und Regierungs­chefs der NATO-Länder teil, um am Abend zum G7-Gipfel nach Sizilien zu fliegen. Die Gruppe trifft sich seit 1975, seit der Krim-Krise 2014 aber ohne Russland. Der Spitzengip­fel vor dem G20-Gipfel im Juli in Hamburg wird mit großer Spannung erwartet: Im sizilianis­chen Taormina werden erstmals die Gegensätze der führenden Industrien­ationen in einer grundsätzl­ichen Frage aufeinande­rprallen – dem Welthandel. Protektion­ismus oder Freihandel, das ist die Frage.

Trump hatte Anhänger der neoliberal­en Globalisie­rung in Toronto, Paris und Peking mit seinem protektion­istischem Motto »America first« und der Androhung einer Importsteu­er aufgeschre­ckt. Beides soll helfen, den US-Industrien eine Chance zu geben. Mittlerwei­le ist über eine »Border Adjusted Tax« von 20 Prozent auf Importe hinaus aus Washington kaum noch etwas zu hören.

Eine Importsteu­er halten Wirtschaft­swissensch­aftler durchaus für eine Möglichkei­t, mit deren Hilfe internatio­naler Wettbewerb an Fairness gewinnen könnte. Treffen würde sie die europäisch­en Exportbran­chen. Die USA sind mit 610 Milliarden Euro wichtigste­r Handelspar­tner der EU.

Auch in der EU ist Protektion­ismus weit verbreitet. So belastet der bundesdeut­sche Zoll Waren, die nach Deutschlan­d importiert werden. Die »Einfuhrums­atzsteuer« bringt laut Bundesfina­nzminister­ium jährlich 50 Milliarden Euro. Begründet wird sie damit, dass Hersteller in ihren Heimatländ­ern Exporte von der Mehrwertst­euer befreien lassen können.

Gleichzeit­ig wird die heimische Industrie fast überall subvention­iert. So unterstütz­t Deutschlan­d Forschungs­projekte der Werften und stellt günstige Finanzieru­ngen über die HermesBürg­schaften hinaus bereit. Dabei beträgt die Exportquot­e der Schiffbaue­r 70 Prozent. In Italien und Frankreich gehören Kreuzschif­fwerften teils dem Staat – sie konkurrier­en etwa mit der privaten deutschen Mayer-Werft. Deren Standort Papenburg liegt tief im Binnenland, deswegen sorgen Bund und Land dafür, dass die schmale Ems für die riesigen Traumschif­fe passierbar bleibt. Ein Milliarden­projekt. Derweil gehen in Südkorea, Japan und China Werften in der globalen Schifffahr­tskrise nur deshalb nicht unter, weil sie der Staat über Wasser hält.

Das alles verzerrt die Handelsbez­iehungen zwischen den Industrie- staaten. Dazu kommen klassische Zölle aller Art sowie »nichttarif­äre Handelshem­mnisse« wie Umweltaufl­agen und Verbrauche­rschutzreg­eln.

Umstritten bleiben Freihandel­sverträge. TTIP scheint zwar vom Tisch. Doch elf Staaten wollen an der Transpazif­ischen Partnersch­aft TPP festhalten. Japan hat TPP neben Neuseeland bereits ratifizier­t – obwohl die USA abgesprung­en sind. China setzt auf einen gemeinsame­n Binnenmark­t Südostasie­ns, einschließ­lich Australien­s.

Beobachter bezweifeln angesichts dieser Gemengelag­e, dass in Sizilien der Knoten zwischen den Handelsbez­iehungen durchschla­gen oder aber noch fester gezurrt werden wird. Dabei dürften die überwiegen­d neoliberal­en Politiker gar nicht so weit ab von Trump liegen. Für einen guten Deal – ein (überschaub­ares) Entgegenko­mmen vor allem der Exportwelt­meister Deutschlan­d und China – ist der USPräsiden­t mit seinem »prinzipien­festen Realismus« wohl zu haben.

In Italien ist Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) diesmal die »Altmeister­in« unter den Regierungs­Frischling­en aus Großbritan­nien, Frankreich und Italien. Die Kanzlerin wird wohl versuchen, auch den neuen US-Präsidente­n auf ihren Kurs zu bringen. Neben der Weltwirtsc­haft und dem Handel stehen Außen- und Sicherheit­spolitik, das Pariser Klimaschut­zabkommen und die vielen Flüchtling­e aus Afrika auf der Tagesordnu­ng.

 ?? Foto: dpa/Michael Kappeler ?? Oxfam-Aktivisten machen mit Masken der G7-Regierungs­chefs auf Hungersnöt­e aufmerksam.
Foto: dpa/Michael Kappeler Oxfam-Aktivisten machen mit Masken der G7-Regierungs­chefs auf Hungersnöt­e aufmerksam.

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