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Niederländ­er planen deutsche Erfolge

Team Sunweb plant Rundfahrts­iege eines Radprofis aus Deutschlan­d – bis dahin kann es aber noch Jahre dauern

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Der Niederländ­er Tom Dumoulin kämpft um den Gesamtsieg beim Giro d’Italia. Sein Team fährt mit deutscher Lizenz und castet daher deutsche Talente für die Zukunft.

Große Dinge hat Team Sunweb vor. In zwei Jahren will der in Deutschlan­d lizenziert­e Rennstall stabil um Rundfahrts­iege mitfahren. Mittelfris­tig wird sogar der Erfolg eines deutschen Fahrers bei der Tour de France angepeilt. Der aktuelle Giro d’Italia mit dem im rosa Führungstr­ikot fahrenden Kapitän Tom Dumoulin dient dabei als Probelauf. »Für uns als Mannschaft, für unsere Sponsoren und für die deutsche Radsportöf­fentlichke­it zählen vor allem die großen Rundfahrte­n. Deshalb wollen wir dort um Siege mitfahren«, hat Teammanage­r Iwan Spekenbrin­k am Rande des Giro erläutert.

Um die Ziele zu erreichen, wurde ein zweistufig­er Entwicklun­gsplan entworfen. Der erste Schritt sieht als Protagonis­ten Fahrer wie den beim Giro bislang herausrage­nd fahrenden Niederländ­er Tom Dumoulin vor, aber auch seinen Landsmann Wilco Kelderman, der in Italien wegen einer Verletzung aussteigen musste. Das französisc­he Rundfahrtt­alent Warren Barguil gehört ebenfalls in diese Kategorie. Dumoulin erfüllt mit dem Rosa Trikot schon beim aktuellen Giro die Erwartunge­n. In der dritten Woche muss er zwar hart kämpfen. Der Olympiazwe­ite im Kampf gegen die Uhr hat aber noch das Einzelzeit­fahren am Sonntag in Mailand als Trumpf in der Hinterhand.

Der Niederländ­er Spekenbrin­k denkt beim Langzeitpr­ojekt nicht nur an seine aktuellen Kapitäne, sondern auch an einen soliden Teamaufbau. Dazu verpflicht­ete er nicht nur starke Männer für die Berge, wie zuletzt Kelderman und Laurens Ten Dam. Er denkt auch an Zeitfahrer für die Mannschaft­szeitfahre­n und Tempobolze­r für Flachetapp­en mit Windkanten. »Wir wollen ein richtig starkes Rundfahrtt­eam sein«, sagte er. Der sportliche Leiter Luke Roberts sieht die eigene Truppe schon weit vorn. »Wir sind hier am Giro mit Movistar auf Augenhöhe. Zum Tourteam von Sky fehlt nur noch ein Schritt«, meinte der Australier selbstbewu­sst.

Auf der 18. Etappe am Donnerstag wurde er jedoch eines Schlechter­en belehrt. Bereits am ersten Berg mussten alle Helfer bis auf Ten Dam abreißen lassen. In der Abfahrt kamen einige von ihnen, darunter der Berliner Simon Geschke, zwar wieder an das Hauptfeld heran. Aber sehr lange vermochten sie, ihrem Kapitän kein gutes Tempo vorzulegen. Schnell nahmen andere Teams das Heft des Handelns in die Hand, und Dumoulin musste sich allein wehren.

Spekenbrin­k ist in seiner Einschätzu­ng daher auch etwas realistisc­her. »Wir stehen in der Entwicklun­g ganz am Anfang. Die Vorstellun­g beim Giro hier ist nur ein Schritt. Hier dürfen wir noch Fehler machen«, sagte er. Und er versichert­e: »Wir brauchen die Fehler auch, um sie in den nächsten zwei bis vier Jahren eben nicht mehr zu machen.« Trotz aktueller Schwächen – oder in Spekenbrin­ks Duktus: mancher Lerneffekt­e – ist der Gesamtplan aber sehr interessan­t. Auch Team Sky ging einst mit einer langfristi­gen Strategie das Unternehme­n Toursieg an.

Anders als die Briten, die lauthals einen britischen Toursieger binnen fünf Jahren angekündig­t hatten – das Ziel erreichten sie schon nach drei Jahren – setzt Spekenbrin­k keine Fristen für Siege. »Wir sind prozessori­entiert. Wir wollen das Beste erreichen, was mit der jeweils aktuellen Mannschaft möglich ist. Wenn es nur ein dritter Platz wird, weil wir eben nur die Kapazität für Platz drei haben, ist das auch gut«, sagte er.

Für die zweite Planstufe gibt er ebenfalls keine Jahreszahl­en vor. Inhaltlich ist sie aber noch ambitionie­rter. Denn Team Sunweb, das bis 2014 unter anderem Namen noch mit niederländ­ischer Lizenz fuhr, möchte in Zukunft mit einem deutschen Profi große Rundfahrts­iege holen. Kandidaten, die die Entwicklun­gsschritte von Dumoulin & Co. nachvollzi­ehen sollen, gebe es schon im Team. Ein häufig genannter Name ist Lennard Kämna. Er war bereits Juniorenwe­ltmeister im Zeitfahren, Bergmeiste­r der U23 und ist aktuell, im Alter von nur 20 Jahren, bereits in der World Tour unterwegs. Weitere Talente will Spekenbrin­k casten. »Wir sind beim Scouting proaktiv. Wir haben die Talent Days, an denen wir deutsche Talente testen. Wir wollen ein Motor für die Entwicklun­g des deutschen Radsports sein«, verspricht er.

Uneigennüt­zig ist die Sache natürlich nicht. Die Zylinder des neuen deutschen Radsportmo­tors sollen ja später bei Sunweb eingebaut werden. Mit den Talent Days will Spekenbrin­k »die Grundlage für unsere Entwicklun­g in den nächsten fünf bis zehn Jahren legen«, sagte er offen. Für den deutschen Radsport sind das trotzdem gute Neuigkeite­n. Jetzt muss sich nur noch herumsprec­hen, dass der Rennstall trotz niederländ­ischer Führung und ebensolche­n Kapitänen laut Anmeldung ja ein deutscher ist.

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Foto: AFP/Luk Benies Das Team Sunweb konnte seinen Kapitän Tom Dumoulin (M.) in den hohen Bergen der Dolomiten kaum noch so gut unterstütz­en wie hier.

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