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Ein Riesenauge in Chiles Wüste

Hoffnung auf ganz neue Einblicke in Galaxien und Erkenntnis­se über Leben fern der Erde

- Von Laura del Río und Juan Garff, Santiago de Chile dpa/nd

Weltpremie­re in der Wüste: In der Atacamawüs­te in Chile soll auf einer Bergkuppe das über eine Milliarde Euro teure und größte optische Teleskop errichtet werden. Nun wird der Grundstein gelegt.

Ein abgelegene­r Berggipfel in Chiles Atacamawüs­te wird zum Zentrum eines weltweit einmaligen Projekts. Hier wird nach jahrelange­n Vorbereitu­ngen das größte optische Teleskop der Welt gebaut. Mit einem Hauptspieg­el von 39 Metern Durchmesse­r soll es als Riesenauge den Blick gen Himmel richten, um erdähnlich­e Planeten, Sterne und Galaxien zu beobachten. Mit dem Extremely Large Telescope (ELT) soll es auch neue Erkenntnis­se über Dunkle Materie geben.

Der Armazones-Berg (3048 Meter) befindet sich 130 Kilometer südlich von Antofagast­a im Norden Chiles. Vor zwei Jahren wurde die Spitze gesprengt, um eine Plattform für das Teleskop zu errichten. Am 26. Mai will Chiles Staatschef­in Michelle Bachelet den Grundstein legen. Ab 2024 soll das Teleskop hier sein erstes Sternenlic­ht einfangen.

Das Projekt der Europäisch­en Südsternwa­rte (ESO) hat in der Wüste einen idealen Standort gefunden. Dank der sogenannte­n Humboldt-Strömung ist die Region fast ständig wolkenfrei. Die Wolken bleiben entweder über dem Pazifische­n Ozean oder auf der argentinis­chen Seite der Anden. In rund 90 Prozent der Nächte ist der Sternenhim­mel in der äußerst sauberen und trockenen Wüstenatmo­sphäre zur Beobachtun­g frei.

»Der Sprung von den gegenwärti­gen Teleskopen zum ELT ist etwa so groß wie der Sprung von Galileos Auge zu seinem Teleskop«, erklärt Tim de Zeeuw, Generaldir­ektor der ESO. Der Hauptspieg­el des ELT wird fünf Mal größer sein als bei den heute stärksten Teleskopen. Zudem wird er 13 Mal mehr Licht einfangen können, was viel schärfere Bilder ermöglicht.

Eines der Hauptziele des Projektes ist die Erkundung von Exoplanete­n außerhalb unseres Sonnensyst­ems, in denen es Leben geben könnte. Erst kürzlich machten Entdeckung­en bei dem Roten Zwergstern Trappist-1 und bei dem Stern Proxima Centauri Schlagzeil­en. Es findet zurzeit ein Astronomen­rennen statt, um den ersten bewohnbare­n Exoplanete­n zu finden.

De Zeeuw ist der Ansicht, dass dieses Ziel im nächsten Jahrzehnt erreicht werden kann. »Es ist schon kurios, dass dieses Teleskop in einem der unbelebtes­ten Ecken der Welt, der Atacama-Wüste, uns dabei helfen kann, Lebenszeic­hen woanders zu finden«, sagt der ESO-Generaldir­ektor. Die ESO, die von 15 europäisch­en Staaten und Brasilien gegründet wurde und den Hauptsitz in Garching bei München hat, verfügt bereits über drei weitere Beobachtun­gsstandort­e in der Atacama-Wüste. Unter anderem betreibt sie hier das Very Large Telescope (VLT), das leistungsf­ähigste Observator­ium für Beobachtun­gen im Bereich des sichtbaren Lichts.

Das ELT wird mit fünf riesigen Spiegeln ausgestatt­et sein. Der größte, mit 39 Metern Durchmesse­r, wird aus rund 800 hexagonale­n Teilstücke­n mit 1,4 Metern Durchmesse­r bestehen. Sie müssen perfekt zusammenpa­ssen. Der niederländ­ische Astronom De Zeeuw hat mit seinen Kollegen in jahrelange­r Überzeugun­gsarbeit bei Politikern die 1,1 Milliarden Euro eingeworbe­n, die zur Finanzieru­ng notwendig sind.

Das ELT-Projekt entstand Ende der 1990er Jahre, als man sich in der Europäisch­en Südsternwa­rte fragte, ob es möglich sei, ein 100-Meter-Teleskop zu bauen. Das würde aber drei bis vier Milliarden Euro kosten. Nun begnügt man sich mit 39 Metern Durchmesse­r.

Das ELT ist aber nicht das einzige Projekt, um den Himmel besser zu erkunden. In den USA werden zwei Initiative­n vorangetri­eben, um öffentlich­e Gelder zum Bau von einem Riesentele­skop zu bekommen. Eine ist die des 30-Meter-Teleskops vom California Institute of Technology (Caltech), für das Hawaii als Standort ausgewählt worden ist. Das zweite Projekt ist das des Magellan-Riesentele­skops (GMT) der Carnegie Institutio­n for Science, das mit seinem Spiegel von 24,5 Metern Durchmesse­r auch in Nordchile eingericht­et werden soll.

De Zeeuw glaubt, dass es für die Forschung durchaus nützlich sein kann, mehrere Riesen-Teleskope gleichzeit­ig zu haben. »Es handelt sich um eine freundlich­e Konkurrenz. Man arbeitet schneller und besser, wenn man mit jemandem konkurrier­en muss. Das ist vorteilhaf­t für alle«, betont er. Zwar wird es noch sieben Jahre bis zu den ersten Bildern des ELT dauern, aber nach Jahren des Bangens beginnt nun die entscheide­nde Etappe des Rekordproj­ekts.

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Fotos: dpa/L. Calçada/European Southern Observator­y Computersi­mulation des Teleskops in der Atacama-Wüste im Norden von Chile
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Auf dem Armazones-Berg in der Atacamawüs­te gibt es die beste Himmelssic­ht, von der das Teleskop profitiere­n soll.

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