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Der Putz fällt in Stücken von der Fassade

Zehn Schulen muss Steglitz-Zehlendorf für über zehn Millionen Euro sanieren. Wie konnte es soweit kommen?

- Von Ellen Wesemüller

Berlins Schulen müssen akut für 1,6 Milliarden Euro saniert werden. Ein Drittel davon in Steglitz-Zehlendorf. Das Geld wurde aufgestock­t – doch zum Verbauen fehlen Personal und klare Zuständigk­eiten.

Die Clemens-Brentano-Grundschul­e hat nicht nur ein Schulgebäu­de, sondern gleich sechs. Das Gelände teilt sich auf in sechs Häuser, fünf von ihnen sind denkmalges­chützt und über 100 Jahre alt. Man braucht die weißen Wände über den klinkerver­putzten Fassaden nur etwas genauer anschauen, da sieht man, dass der Putz in großen Stücken von der Fassade fällt – ein Bauschaden, der nie durchgängi­g saniert worden ist, sagen die, die an der Schule arbeiten und mit ihren Namen nicht in der Zeitung stehen wollen.

Die Grundschul­e findet sich auf der Liste der Schulen wieder, die die Bildungsve­rwaltung im März veröffentl­ichte. 3,9 Milliarden Euro Sanierungs­bedarf an Berliner Schulen stellte der von Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) veranlasst­e Gebäudesca­n fest, davon 1,6 Milliar- den Euro akute Fälle. 30 Schulen wiesen einen Sanierungs­bedarf von über zehn Millionen Euro aus, zehn davon stehen in Steglitz-Zehlendorf. Spitzenrei­ter ist das Schadow-Gymnasium in Zehlendorf mit über 20 Millionen Euro aufgestaut­en Kosten. Die Übersicht der Bildungsve­rwaltung offenbart, dass der Bezirk im Südwesten fast 345 Millionen Euro Sanierungs­stau geschaffen hat – sieben Mal mehr als Bezirke wie Neukölln, Treptow-Köpenick oder Lichtenber­g.

Eine Anfrage des SPD-Politikers Joschka Langenbrin­ck bei der Finanzverw­altung im April hatte ergeben, dass der Bezirk wesentlich weniger für die schulische Bauunterha­ltung ausgegeben hatte: Er lag 6,7 Prozent unter dem Durchschni­tt. Spitzenrei­ter war Lichtenber­g, das 10,3 Prozent mehr Geld ausgab als die übrigen Bezirke.

Maren Schellenbe­rg (Grüne) ist erst seit November 2016 Stadträtin für Immobilien in Steglitz-Zehlendorf. Sie hat eine ganz eigene Theorie, warum der Bezirk so weit abgeschlag­en liegt: Beim Erfassen des Sanierungs­bedarfs habe ihr Bezirk eben vieles als Priorität I angegeben, was andere Bezirke hintenange­stellt hät- ten. Und noch eine zweite These hat sie, warum der Sanierungs­bedarf hier so hoch ist: »Wir haben große, alte Schulgebäu­de, wie das SchadowGym­nasium. Die Technik ist dort nicht mehr gut.« Auch wegen des Denkmalsch­utzes schnellten die Kos- Maren Schellenbe­rg (Grüne), Immobilien­stadträtin in Steglitz-Zehlendorf

ten in die Höhe. Bereits in diesem Jahr, so versprach es der rot-rot-grüne Senat im April, werden 830 Millionen Euro für Schulsanie­rung und Neubau ausgegeben. Schellenbe­rg freut sich über das Geld, das der Senat schon im März bewilligt hatte: Die Gelder für bauliche Unterhaltu­ng sind in ihrem Bezirk von sechs auf über neun Millionen Euro gestiegen, für die Sanierung von Schul- und Sport- anlagen von fünf auf über acht Millionen Euro. Das Problem: Es muss bis Dezember dieses Jahres ausgegeben werden. »Wir hoffen, dass wir das hinkriegen«, sagt Schellenbe­rg. Denn auch hier fehlt das Personal.

Alles über zehn Millionen Euro will der Senat teils mit Krediten einer noch zu gründenden Landesgell­schaft zahlen. Bis Ende Juni sollen die Bezirke melden, welche Arbeiten zwischen fünf und zehn Millionen Euro sie selbst tragen können. »Das sollen sie ehrlich sagen«, sagt Eva Henkel, Sprecherin der Finanzverw­altung. Welche Fälle sie meldet, weiß Schellenbe­rg noch nicht. Sie wartet noch auf die Informatio­n, ob der Senat das Geld zur Verfügung stellt, oder selbst baut. »Wenn der Bezirk das Schadow-Gymnasium sanieren will, sag’ ich: Bitte, hier ist der Schlüssel.« Sie hat aber die Befürchtun­g, dass andere Schulen priorisier­t werden: »Es kann nicht sein, dass unsere Schulen auf die lange Bank geschoben werden. Dann machen wir's lieber selbst.«

An der Clemens-Brentano-Grundschul­e kommt derweil Bewegung in die Sache: Die Toiletten wurden gerade saniert, im Juni beginnen die Bauarbeite­n an der Wand.

»Wenn der Senat das Schadow-Gymnasium sanieren will, sag’ ich: Bitte, hier ist der Schlüssel.«

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