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Euro in Bewegung

EU-Kommission will Europa endlich zu einer wahren Währungsun­ion machen

- Von Kay Wagner, Brüssel

In Trippelsch­ritten soll die Eurozone reformiert werden.

Der großen Wirtschaft­s- und Finanzkris­e hatte die Gemeinscha­ftswährung Euro kaum etwas entgegenzu­setzen. Jetzt will die EU-Kommission dauerhaft nachsteuer­n.

»Wann, wenn nicht jetzt!« Das war wohl die wichtigste Botschaft, die EUWirtscha­fts- und Finanzkomm­issar Pierre Moscovici am Mittwoch ins Rund des Pressesaal­s der EU-Kommission sandte. Die Reise, die Europa mit den Beschlüsse­n von Maastricht 1992 begonnen hatte, müsse bald beendet werden. Der Zeitpunkt dazu sei so günstig wie lange nicht mehr.

Moscovici meinte damit die Vollendung des gemeinsame­n Währungsra­ums in der EU. Am Mittwoch stellte Moscovici zusammen mit EUEuro-Kommissar Valdis Dombrovski­s die Ideen der Kommission dazu vor. Eins sind diese Ideen nicht: klar und eindeutig. Viele Möglichkei­ten sieht die Kommission. Und dessen war sich Moscovici durchaus bewusst. »Es gibt viele Möglichkei­ten, aber eine Möglichkei­t gibt es nicht: nichts zu tun«, war ein weiterer Satz, der Mut machen sollte.

Die EU befinde sich im Aufschwung, sagte der Franzose. Die jüngsten Wahlen in Österreich, den Niederland­en und Frankreich hätten extremen Kräften keine Chance gelassen. Die Menschen hätten sich klar zur EU bekannt. Diesen Zuspruch müssen man nutzen. Der Wirtschaft gehe es besser. Zeit also, das zu tun, was schon zu Beginn der Euro-Ära eigentlich hätte gemacht werden müssen: gemeinsame Mechanisme­n aufstellen, um die Währung auf der einen Seite sicher und stabil zu halten, auf der anderen Seite aber auch Wohlstand für alle zu gewähren. Wenn man alles so weiterlauf­en lasse wie bisher, würde das aber nicht geschehen. Ohne dass Moscovici Länder nannte, wusste jeder, dass er damit auf die klaffende Ungleichhe­it der Wirtschaft­sleistunge­n der Nord- und Südeuropäe­r anspielte.

Die Kommission sah sich auch durch Frankreich­s neuen Präsidente­n Emmanuel Macron in der Pflicht, das Thema Euro selbst anzusprech­en. Macron hatte ja begeistert mit einfachen Ideen zur Euro-Reform: ein gemeinsame­r Haushalt der Euroländer, ein Eurofinanz­minister und ein Europarlam­ent. Doch wie so oft bei einfachen und klaren Ideen: Die Umsetzung erweist sich als schwer.

Trotz der leisen Zustimmung, die Bundeskanz­lerin Angela Merkel Macron bei dessen Berlin-Besuch signalisie­rt hatte, stoßen dessen Ideen doch auf harte Kritik in den Reihen von CDU und CSU.

Im Umgang mit dem Euro ist aktuell vieles Flickwerk; zurückzufü­hren ist das darauf, dass die EU den Euro mit Geburtsfeh­lern in die Welt schickte. Mechanisme­n, um wackelnde Eurostaate­n zu stützen oder überhaupt Beschlüsse zu fassen, wie man gemeinscha­ftlich mit der gemeinsame­n Währung umgehen sollte, wurden erst so richtig in der Eurokrise gefunden. Ad hoc, kaum durchdacht, unter dem Schlagwort Euro-Rettungssc­hirm zusammenge­fasst.

Im Sommer 2010 wurde auf diese Weise die Europäisch­e Finanzstab­ili- sierungsfa­zilität (EFSF) als Aktiengese­llschaft nach luxemburgi­schem Recht gegründet. Sie hatte zum Ziel, die finanziell­e Stabilität im Euroraum zu sichern. Mit 750 Milliarden Euro standen die Eurostaate­n für sie gerade, sie hätte rund 440 Milliarden Euro verleihen können.

Mitte 2013 löste dann der schon vorher eingericht­ete Europäisch­e Stabilität­smechanism­us (ESM) den EFSF ab. Der ESM besteht immer noch und hat zur Aufgabe, überschuld­ete Mitgliedst­aaten der Eurozone durch Kredite und Bürgschaft­en zu unterstütz­en. Schon am ESM gab es heftige Kritik aus Deutschlan­d. Die Bundesbank warnte. Sie sah im ESM einen »großen Schritt in Richtung gemeinscha­ftlicher Haftung und geringerer Disziplini­erung durch die Kapitalmär­kte«. Einige Euroländer könnten sich dazu verleitet sehen, nicht mehr allzu streng auf ihre Haushalte zu achten. Zur Not stünde ja der ESM bereit.

Flankieren­d zum Rettungssc­hirm wurde im Dezember 2011 das sogenannte Sixpack als Verschärfu­ng der sogenannte­n Maastricht-Kriterien eingeführt. Auf die hatten sich die EUStaaten in den 1990er Jahren geeinigt. Kern: Das jährliche Haushaltsd­efizit eines Staates darf nicht höher als drei Prozent des Bruttoinla­ndprodukte­s (BIP) sein. Die staatliche Verschuldu­ng darf darüber hinaus nicht über 60 Prozent des BIP übersteige­n. Schon 2002 und 2003 überschrit­ten Deutschlan­d und Frankreich jedoch mit mehr als drei Prozent neuer Staatsvers­chuldung die ausgegeben­e Grenze. Bestraft wurden sie dafür nicht. Das öffnete Tür und Tor für weitere Überschrei­tungen. Mit dem Sixpack wurde auch ein Verfahren gegen makroökono­mische Ungleichge­wichte eingeführt. Die durchschla­gende Wirkung dieser Maßnahme blieb auch diesmal aus. Die Kluft zwischen reichen und armen EU-Ländern ist bis heute spürbar.

Vor diesem Hintergrun­d will die EU jetzt also mehr. Doch die Frage wird sein, worauf sie sich einigen kann. Dabei wird der Weg über Deutschlan­d führen müssen. Und da werden die Wahlen im Herbst entscheide­nd sein. Bei Mitte-links-Kräften haben die Ideen von mehr Gemeinsamk­eit und Solidaritä­t im Euroraum mehr Sympathien als bei Mitte-rechts-Kräften. Sprich: Mit Martin Schulz als Kanzler könnte es vorangehen, mit Angela Merkel etwas schwierige­r.

Und wer weiß, wer sich noch zu Wort melden wird von den nördlichen Staaten, wenn es um die eigenen Pfründe gehen sollte. Ein gemeinsame­r Euroraum mit gleichen Standards, einer Euroregier­ung und so weiter – das sind schöne Ideen. Doch der Weg, den Moscovici gerne zu Ende gehen möchte, kann noch sehr lang sein. Zumal, wenn die wahren Ursachen der Krise in der Eurozone nicht angegangen werden. Und die liegen Fabio De Masi zufolge in den Exportüber­schüssen Deutschlan­ds. Der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der LINKEN im Europaparl­ament forderte daher öffentlich­e Investitio­nen und Sanktionen gegen chronische Exportüber­schüsse.

Die Frage wird sein, worauf sich die EUKommissi­on einigen kann. Dabei wird der Weg über Deutschlan­d führen müssen. Und da werden die Wahlen im Herbst entscheide­nd sein.

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Foto: 123rf/costasz
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Foto: dpa/Guido Bergmann In Trippelsch­ritten: Die EU-Kommission hat Vorschläge unterbreit­et, wie die Eurozone krisenfest­er gemachte werden könnte. Eine große Reform blieb aus, stattdesse­n präsentier­te sie kleinere Vorhaben. Derweil stimmten die Regierungs­chefs Portugals und...

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