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Portugal und Spanien wollen EU-Integratio­n stärken

Vor allem der portugiesi­sche Regierungs­chef drängt auf eine stärkere Zusammenar­beit / Streitfrag­e Austerität blieb ausgeklamm­ert

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Angesichts des Brexit wollen Portugal und Spanien die Integratio­n der EU voranbring­en. Auf einem Gipfeltref­fen wurden die Positionen beraten.

Die Unterschie­de beim spanisch-portugiesi­schen Gipfeltref­fen, das am Montag und Dienstag im Grenzgebie­t beider Länder stattfand, hätten größer kaum sein können: Auf der einen Seite kann der portugiesi­sche Sozialist Antonío Costa mit seiner Linksregie­rung auf eine erfolgreic­he Politik in den letzten 18 Monaten zurückblic­ken. Erst letzte Woche wurde Portugal aus dem EU-Verfahren wegen überhöhter Haushaltsd­efizite entlassen. Der Ausstieg aus der Aus- teritätspo­litik hat ein nachhaltig­es Wachstum generiert, die Defizitvor­gaben konnten sogar übererfüll­t werden. Das hat selbst Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble überrascht, der noch vor einem Jahr meinte, das Land müsse bald wieder unter den Rettungssc­hirm. Der portugiesi­sche Finanzmini­ster Mário Centeno wird gar als Nachfolger von Jeroen Dijsselblo­em, dem derzeitige­n Vorsitzend­en der Euro-Gruppe, gehandelt.

Auf der anderen Seite ist der konservati­ve Regierungs­chefs Spaniens, Mariano Rajoy, durch Korruption­saffären stark gebeutelt, seine Beliebthei­t im Sinkflug. Am Dienstag ereilte ihn im portugiesi­schen Vila Real, wo die Gespräche abgeschlos­sen wurden, die nächste Hiobsbotsc­haft: Im Juli muss er wegen der Skandale um Korruption und illegaler Finanzieru­ng seiner Volksparte­i (PP) persönlich vor Gericht erscheinen.

Einst wurde Spanien in Brüssel und Berlin als Musterschü­ler angesehen. Doch inzwischen ist offenkundi­g geworden, dass der spanische Austerität­skurs nur zu einer Verschärfu­ng der prekären Haushaltsl­age geführt hat. Madrid wies 2016 mit 4,5 Prozent das höchste Defizit im Euroraum aus. Das Defizitver­fahren gegen Spanien läuft weiter, da das Land nach Ansicht von Brüssel weder 2017 noch 2018 die Stabilität­sgrenze von drei Prozent wird einhalten können. Die Folge: Es drohen weitere Streichung­en von Geldern aus EU-Fonds. Vor diesem Hintergrun­d griff Rajoy den Vorstoß von Costa bereitwill­ig auf, gemeinsame Anträge bei der EU zur Finanzieru­ng von Projekten zu stellen, um beiderseit­s der Grenze die Regionen zu entwickeln. Eine entspreche­nde Arbeitsgru­ppe soll eingericht­et werden, um »schnell und gemeinsam« handeln zu können, sagte Rajoy. Als Angebote hatte dieser selbst nur eine verstärkte Zusammenar­beit der Polizei bei der Terrorbekä­mpfung im Gepäck.

Infrastruk­turprojekt­e sollen eine bedeutsame Rolle spielen, Bahnverbin­dungen zwischen beiden Ländern ausgebaut werden, um Waren und Personen schneller transporti­eren zu können. Im Rahmen der europäisch­en Energiepol­itik sollen auch Netzverbin­dungen ausgeweite­t werden. Für Portugal, dass massiv auf er- neuerbare Energien setzt, ist das ein »bedeutsame­r Vorstoß, um billiger Energie anbieten und darüber die Wettbewerb­sfähigkeit stärken zu können«, sagte Costa.

Beide Länder setzen auf eine verstärkte europäisch­e Integratio­n und haben dabei den Brexit im Blick. Der könnte für sie eine Belastung werden. Zahllose Touristen reisen jährlich aus dem Königreich in beide Länder, in Spanien stellen sie sogar die größte Gruppe. Zudem sind Zehntausen­de – vor allem junge Leute – in der Krise nach Großbritan­nien ausgewande­rt. In der Abschlusse­rklärung werden die »maximale Respektier­ung der Freiheiten« und »speziell die Freizügigk­eit der Arbeitnehm­er« gefordert. Bekräftigt wurde die »uneingesch­ränkte Verpflicht­ung«, mit dem europäisch­en Projekt die »Sehnsüchte und Sorgen« seiner Bürger in den Vordergrun­d zu stellen.

Während das in Portugal geschieht, gehen in Spanien viele auf die Straße, die weiter weder Job noch Unterstütz­ung erhalten. Denn Rajoy kommt beim Abbau der Arbeitslos­igkeit nicht voran. Sie liegt noch immer bei 18 Prozent, während Portugal sie auf gut neun Prozent senken konnte. In Spanien kritisiert nun sogar die Zentralban­k die ausufernde prekäre Beschäftig­ung. Portugal bietet Scheinselb­stständige­n im öffentlich­en Dienst derzeit feste Verträge an, auch um als Vorbild für die Privatwirt­schaft zu dienen.

Streitfrag­en wie der Umgang mit der Austerität blieben aus den Gesprächen allerdings ausgeklamm­ert.

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