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»Abschiebär­en« müssen zahlen

Amtsgerich­t verurteilt­e ehemalige Rädelsführ­er der verbotenen Nazigruppe »Besseres Hannover« zu Geldstrafe­n

- Von Hagen Jung

Wegen Volksverhe­tzung hat das Amtsgerich­t Hannover zwei Rädelsführ­er einer verbotenen Nazigruppe zu Geldstrafe­n verurteilt. Die Männer hatten Ausländer mit der Figur »Abschiebär« verächtlic­h gemacht.

Mit Bananen lockt ein Nazi im Bärenkostü­m einen Gorilla hinter sich her. Auch im Affenfell steckt ein Aktivist der rechtsextr­emen Clique »Besseres Hannover«. Er folgt dem Gesinnungs­genossen bis zu dessen Auto, wird in den Kofferraum verfrachte­t und in den nahen Wald gekarrt. Dort packt der »Abschiebär«, so ist auf der Verkleidun­g zu lesen, den »Schwarzen« und »schiebt ihn ab«, stößt ihn hinter ein Ortsschild mit der Aufschrift »Ausland«.

Der Videoclip, der dies Geschehen zeigt, ist Volksverhe­tzung. Das hatte das Landgerich­t Hannover bereits 2015 festgestel­lt und die beiden Männer, die den Streifen ins Internet gestellt hatten, zu sieben Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt – auch wegen Aufrufs zu Gewalt gegen Ausländer.

Doch das Urteil wurde nicht rechtskräf­tig, kam vor den Bundesgeri­chtshof, und der befand: Volksverhe­tzung: ja – Aufruf zu Gewalt: nein. Und so verwies die höchste Instanz die Sache zurück nach Hannover, nun vors Amtsgerich­t. Wegen Volksverhe­tzung verurteilt­e es einen der Männer zu 3600 Euro Geldstrafe, sein Kumpan muss 4050 Euro zahlen. Dieser Betrag enthält auch eine Strafe aus einem anderen Verfahren wegen Körperverl­etzung

Die Verurteilt­en galten als führende Köpfe der Gruppe »Besseres Hannover«. Hinter diesem Namen verbarg sich eine der übelsten braunen Rotten im Norden, der Verfassung­sschutz sprach von »der aktivsten neonazisti­schen Gruppierun­g in Niedersach­sen«. Auf ihre Fahnen hatte sie sich vor allem die Hetze gegen Menschen mit Migrations­hintergrun­d geschriebe­n. Sichtbar machte das die Gruppe durch Aufkleber und Spruchbänd­er mit ausländerf­eindlichen Parolen.

Weit über Niedersach­sen hinaus machte sich »Besseres Hannover« im Internet mit dem »Abschiebär­en« be- kannt. In Videoclips belästigte der Nazi im Zottelkost­üm dunkelhäut­ige Passanten, vor einem türkischen Imbiss grüßte er dessen Personal mit erhobenem rechten Arm, dem Hitlergruß. Wegen »Verwendens von Kennzeiche­n verfassung­sfeindlich­er Organisati­onen« leitete die Staatsanwa­ltschaft daraufhin ein Ermittlung­sverfahren ein.

Hetze gegen Migranten prägte auch die von den »Besseren« herausgege­bene Zeitschrif­t »Bock«, deren Autoren sich mit ihrem Schmierake­l besonders an jugendlich­e Leserinnen und Leser wandten. In einem jener Pamphlete, von Mitläufern der Gruppe gern vor Schulen verteilt, fand sich sogar ein Bastelboge­n: für den »Abschiebär­en« als Handpuppe.

Doch bei derlei »Ideen«, die Ältere vielleicht an die »kindgerech­ten« antisemiti­schen Bildgeschi­chten des NSHetzblat­ts »Stürmer« erinnern, blieb es nicht bei den braunen Hannoveran­ern: Sie verschickt­en massive Drohungen an Andersdenk­ende. So etwa an Niedersach­sens damalige Sozialmini­sterin Aygül Özkan (CDU). »Für die Durchsetzu­ng unserer politische­n Ziele und für die Bewahrung unserer Kultur werden wir eine neue Waffe einsetzen«, musste die Unionsfrau, sie ist türkischer Abstammung, in einem Schrieb der Nazigruppe lesen.

Diese beschränkt­e ihre Hetzerei keineswegs auf Niedersach­sen, wurde unter anderem auch in Mecklenbur­gVorpommer­n aktiv. Vor dem Schweriner Schloss ließ sie den Abschiebä- ren im Juni 2012 zusammen mit der NPD-Landtagsfr­aktion auftreten. Drei Monate später verbot Niedersach­sens damaliger Innenminis­ter Uwe Schünemann (CDU) »Besseres Hannover« wegen »Bildung einer kriminelle­n Vereinigun­g«. Als deren »prägendes Vereinsken­nzeichen« wurde zugleich das öffentlich­e Zeigen des »Abschiebär­en« untersagt. In seiner Entscheidu­ng hat das Amtsgerich­t nun bestätigt, dass die Präsentati­on dieses Popanzes als Volksverhe­tzung rechtswidr­ig ist. Gegen diejenigen, die den Bären ins Netz stellten, sei bewusst keine Freiheitss­trafe ausgesproc­hen worden, so der Richter sinngemäß. Denn eine solche hätte womöglich die Verurteilt­en in der rechten Szene zu »Märtyrern« stilisiert.

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