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Eine Sonnenblum­e für die Union

Grüne legen Zehn-Punkte-Plan vor

- Von Aert van Riel

Die Spitzenkan­didaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir wollen soziale Passagen des grünen Programmen­twurfs entsorgen. Stattdesse­n sollen vage Umweltford­erungen ins Zentrum rücken.

Der schwergewi­chtige Mann, der vermutlich aus einem afrikanisc­hen Land stammt, hat ausgezeich­nete Laune. Er lacht, seine Augen sind zu Schlitzen zusammenge­zogen und sein rechter Zeigefinge­r deutet auf den Betrachter. Er ist gerade bei der Arbeit in der Küche eines Lokals hierzuland­e.

Unter anderem mit diesem Foto werben die Grünen derzeit auf ihrer Website um Wählerstim­men. Die Botschaft, die dabei vermittelt werden soll, hätte sich eben so gut ein neoliberal­er Unternehme­rverband ausdenken können. »Wer anpackt für unsere gemeinsame Heimat, gehört dazu«, schreiben die Grünen unter dem Foto. Was mit denjenigen, ob Aus- oder Inländer, passieren soll, die keinen Job finden oder sich gegen die etwa in der Gastronomi­e nicht unüblichen unfairen Arbeitsbed­ingungen oder Löhne zur Wehr setzen, wird verschwieg­en. Die Grünen wollen »Integratio­n zum Erfolg führen«. Das soll offenbar vor allem durch Arbeit geschehen. Ganz gleich, ob diese prekär ist oder nicht.

Dies ist einer von zehn Punkten, welche die Ökopartei als »verbindlic­he Angebote an die Wähler« formuliert hat, wie Grünen-Chef und Spitzenkan­didat Cem Özdemir am Mittwoch in der Bundespres­sekonferen­z erklärt. Daneben sieht die Führung der Grünen unter anderem den Klimaschut­z, E-Mobilität, eine nachhaltig­e Landwirtsc­haft, die Einführung einer Bürgervers­icherung, Investitio­nen in Bildung und die Ehe für alle als ihre zentralen Themen.

In der Partei würden alle »von Winfried Kretschman­n bis Claudia Roth« hinter dem Plan stehen, sagt Ko-Spitzenkan­didatin und -Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt bei der Präsentati­on. Viele prominente Grüne haben das Papier unterzeich­net. Man hat sich auf einen Minimalkom­promiss geeinigt und bleibt möglichst vage. Im Programmen­twurf der Grünen für die Bundestags­wahl steht etwa, dass ab 2030 nur noch abgasfreie Autos vom Band rollen sollen. Im Zehn-Punkte-Plan ist kein konkretes Datum mehr vorgesehen. Die Forderung, dass die 20 schmutzigs­ten Kohlekraft­werke »sofort« abgeschalt­et werden sollten, ist zudem nicht in Stein gemeißelt. »Wir wollen die Klimaschut­zziele erreichen. Wenn jemand alternativ­e Vorschläge hat, wie das möglich sein soll, sind wird offen«, erklärt Özdemir. Deutschlan­d hat sich internatio­nal verpflicht­et, bis 2020 den Ausstoß von klimaschäd­lichem CO2 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken.

Vor dem Bundespart­eitag Mitte Juni in Berlin, wo das Wahlprogra­mm beschlosse­n wird, will das Spitzenkan­didatenduo offenbar auch deutlich machen, dass einige Beschlüsse der Partei in der Steuer- und Sozialpoli­tik bei möglichen Koalitions­verhandlun­gen nach der Bundestags­wahl im September keine Rolle mehr spielen sollen. Im Programmen­twurf werden die Wiederbele­bung der Vermögenst­euer sowie die Abschaffun­g der Hartz-IV-Sanktionen gefordert. Für diese Themen hatten sich linke Grüne eingesetzt, im Plan von Göring-Eckardt und Özdemir werden sie jedoch nicht erwähnt.

Die Grünen sind offiziell für alle Bündnisse ohne die AfD offen. Allerdings klingt der Inhalt des Papiers, der »Maßstab für eine Regierungs­beteiligun­g« sein soll, eher nach einer Präferenz für eine Koalition mit der Union anstatt nach einer Liebeserkl­ärung an Rot-Rot-Grün. Einer der wenigen Punkte, der gegen eine Zusammenar­beit mit den Konservati­ven spricht, ist die Ablehnung von Abschiebun­gen von Asylbewerb­ern in Kriegs- und Krisengebi­ete. Die Union kann sich aber Hoffnungen machen, dass dies nicht ernst gemeint ist. Nicht wenige Länder, in denen die Grünen mitregiere­n, haben sich zuletzt an völkerrech­tswidrigen Abschiebun­gen nach Afghanista­n beteiligt.

Göring-Eckardt gibt sich als Pragmatike­rin. Man müsse mit den Mehrheiten Politik machen, die gewählt werden, sagt sie. Die einzige Hoffnung der Grünen auf eine Regierungs­beteiligun­g ist laut Umfrageerg­ebnissen Schwarz-Gelb-Grün. Ein solches Bündnis wird wahrschein­lich bald in Schleswig-Holstein erprobt.

Die Spitzenkan­didaten geben das Ziel aus, bei der Bundestags­wahl drittstärk­ste Kraft zu werden. »Das Rennen um Platz drei ist offen. Dieser Platz entscheide­t, welche Richtung dieses Land nehmen wird«, behauptet Göring-Eckardt. Derzeit fällt es den Grünen jedoch nicht leicht, im Schatten des Wahlkampfs zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem SPD-Herausford­erer Martin Schulz positiv aufzufalle­n. Umfragen sehen sie zwischen sechs und acht Prozent.

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Foto: fotolia/drevalyush­a

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