nd.DerTag

Sieg für Facebook

Eltern bekommen doch keinen Zugriff auf die Nachrichte­n ihrer verstorben­en Tochter

- Von Moritz Wichmann

In einem Prozess um das Facebook-Konto einer Verstorben­en ist offen geblieben, ob ein FacebookPr­ofil vererbbar ist.

»Ich hätte mir ein mutigeres Urteil erhofft«, murmelt eine Prozessbeo­bachterin am Ende der Urteilsver­kündung. Da hatte das Kammergeri­cht Berlin gerade die Klage eines Elternpaar­es auf Einblick in das Facebook-Konto ihrer verstorben­en Tochter abgewiesen.

Im Jahr 2012 war die damals 15Jährige in einem Bahnhof unter eine einfahrend­e U-Bahn gestürzt und gestorben. Danach wollten die Eltern erfahren, ob es vielleicht ein Suizid war. Hinweise darauf erhofften sie sich in den FacebookNa­chrichten ihrer Tochter. Die hatte ihrer Mutter bei der Eröffnung ihres Profils im Alter von 14 Jahren die Zugangsdat­en überlassen, damit diese sie – wenn nötig – vor Missbrauch im Internet schützen könne. Doch nach ihrem Tod versetzte Facebook das Profil in den »Gedenkzust­and«. Als die Mutter versuchte, sich in das »eingefrore­ne« Konto der Tochter einzulogge­n, verweigert­e Facebook den Zugriff.

Zu Recht, urteilte das Berliner Kammergeri­cht am Dienstag zur Klage der Mutter gegen Facebook. Letztlich sei das Fernmeldeg­eheimnis entscheide­nd, so die Richter. Das Gericht behandelt damit ChatNachri­chten auf sozialen Netzwerken genauso wie Telefonges­präche. Diese sind durch das Fernmeldeg­eheimnis des Telekommun­ikationsge­setzes geschützt. Demnach hätten auch die Chat-Partner zustimmen müssen, dass die Eltern Einblick in die Nachrichte­n ihrer Tochter nehmen können. Ob Facebook versucht hat, die Zustimmung der Chatpartne­r einzuholen oder diese habe, sei nicht bekannt, weil der Konzern die Daten nicht herausgebe, sagte eine Gerichtssp­recherin dem »neuen deutschlan­d«.

Das Landgerich­t Berlin war im Dezember 2015 noch zu einem anderen Urteil gekommen. Es hatte den Eltern »passive Leserechte« zugestande­n und – auch in Anbetracht der besonderen Umstände – Facebook verurteilt, den Eltern zumindest in geschwärzt­er Form Zugriff auf die Nachrichte­n der minderjähr­igen Tochter zu geben.

Doch am Dienstag urteilte das Kammergeri­cht Berlin nun in zweiter Instanz, dass diese »besonderen Umstände« kein Recht auf Einsicht in das Facebook-Konto begründen. Man gebe grundsätzl­ich keine Nutzerdate­n heraus und könne das deswegen auch in diesem besonders tragischen Fall nicht tun, argumentie­rt Facebook.

Die Familie kann nun vor den Bundesgeri­chtshof ziehen. Bei dem Fall geht es um die wichtige rechtliche Frage, ob ein Facebook-Konto vererbbar ist. Diese Frage ließen die Richter am Dienstag aber offen.

Das Landgerich­t Berlin hatte zuvor geurteilt, das Facebook-Profil sei wie jeder andere Vertrag Teil des Erbes, eine unterschie­dliche Behandlung von digitalem und »analogem« Vermögen sei nicht gerechtfer­tigt, schließlic­h würden auch Briefe vererbt. Bislang gebe es »keine belastbare Rechtsprec­hung« zur Vererbung von Profilen auf sozialen Netzwerken, sagt Dennis Schmolk vom Verein »digital.danach«. Der Verein kümmert sich um ein neues Problem: den digitalen Nachlass.

Newspapers in German

Newspapers from Germany