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Jemen vor dem totalen Zusammenbr­uch

Zu Bürgerkrie­g und ständigem saudi-arabischen Bombenterr­or kommt jetzt auch noch der Ausbruch de Cholera

- Von Oliver Eberhardt

Gewalt, Hunger und jetzt auch noch die Cholera: Trotz der humanitäre­n Katastroph­e in Jemen geht der Krieg dort weiter. Die Gesundheit­sversorgun­g ist nun fast vollständi­g zusammen gebrochen.

Der Ramadan hat begonnen, doch den Menschen in Jemen hat er keine Ruhe gebracht: Auch Anfang dieser Woche bombardier­te die saudische Luftwaffe wieder Ziele im von den Huthi-Milizen kontrollie­rten Nordjemen, und wieder waren auch zivile Einrichtun­gen betroffen. Außerhalb von Sanaa griffen zudem Kämpfer des Islamische­n Staats (IS) Dörfer mit Granaten und Maschineng­ewehren an, nachdem die Huthi-Milizen in der vergangene­n Woche damit begonnen hatten, gegen die weitgehend im Verborgene­n operierend­en, meist aus dem Ausland stammenden Kämpfer vorzugehen. Zuvor hatte die Regie- rung von Abed Rabbo Mansur Hadi den Huthis nach mehreren IS-Anschlägen auf Regierungs­einrichtun­gen vorgeworfe­n, mit dem IS zu kooperiere­n, dessen Ideologie von einem Großteil der jemenitisc­hen Bevölkerun­g abgelehnt wird.

Zuverlässi­ge Opferzahle­n, erklärte Yahya al-Mawzai vom Roten Halbmond, könne derzeit niemand mehr nennen: »Die meisten Toten werden umgehend beerdigt, ohne dass sie für eine Statistik gezählt werden.« Eine schnelle Beerdigung sei schon deshalb notwendig, weil im Land mittlerwei­le eine Choleraepi­demie ausgebroch­en ist: »In der Sommerhitz­e kann man nicht stundenlan­g warten, bis der Krankenwag­en kommt, zumal wir alle Kapazitäte­n für die Lebenden brauchen,« sagt Mawzai.

Denn mittlerwei­le leiden gut 20 der 28 Millionen Einwohner des Landes akuten Hunger, 50 000 Menschen sind mit der Cholera infiziert; mindestens 500 Personen sind mitt- lerweile daran gestorben. Die Konfliktpa­rteien schieben sich derweil gegenseiti­g die Schuld daran zu.

Gleichzeit­ig betonen Sprecher der Regierung von Abed Rabbo Mansur Hadi, des saudi-arabischen Militärs, das Hadi durch Bombardeme­nts unterstütz­t und der Huthi-Milizen, die mit Beistand Irans gegen die HadiRegier­ung kämpfen, dass sie keinesfall­s aufgeben werden: »Wir haben die Unterstütz­ung des Volkes«, heißt es sowohl auf Seiten Hadis als auch der Huthis, die sich dabei auf die Massendemo­nstratione­n berufen, die in den vergangene­n Monaten mehrmals stattfande­n.

Tatsächlic­h hatten die Menschen gegen Luftangrif­fe demonstrie­rt, und nicht für die Huthis und gegen die Hadi-Regierung. Journalist­en in Sanaa berichten, viele wendeten sich vom Huthi-Regime ab, das hohe Steuern erhebt, Minderjähr­ige zum Kampf verpflicht­et, und außerdem als korrupt gelte: »Man versorgt zuerst sich selbst, und dann die Bevölkerun­g«, berichtet ein Kollege.

»Frustriere­nd« sei die Situation, sagt Ismail Scheich Ould Ahmed, der mauretanis­che UNO-Sondergesa­ndte für Jemen, der sich unablässig für Waffenstil­lstände und einen Friedenssc­hluss einsetzt: »Die Bereitscha­ft zum Einlenken ist sehr gering, weil beide Seiten kein Vertrauen haben, dass sich die andere Seite an Vereinbaru­ngen halten wird.« Deutlich wird das auch in Gesprächen mit Sprechern von Huthi-Milizen und Hadi-Regierung. Die Entscheidu­ngen würden letzten Endes in Teheran im Fall der Huthis, oder in Riad im Fall der Hadi-Regierung, gefällt, heißt es stets.

Scheich Ould Ahmed setzt deshalb große Hoffnungen in die Wiederwahl von Präsident Hassan Ruhani in Iran, und die entspannen­den Signale, die dieser in den vergangene­n Wochen nach Riad gesendet hatte: »Dies könnte eine Möglichkei­t sein, diesem Stellvertr­eterkrieg die Schärfe zu nehmen.«

Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel bot indes an, Deutschlan­d könne eine Vermittler­rolle im Jemen-Krieg übernehmen, »auch weil wir bei den benachbart­en Staaten als Gesprächsp­artner geschätzt werden,« sagte er vor einem Treffen mit Jemens offizielle­m Außenminis­ter Ahmed Ben Dagher vor zwei Wochen. Nach Angaben Gabriels hat die Bundesregi­erung in diesem Jahr 125 Millionen Euro an »humanitäre­n Mitteln« für Jemen vorgesehen; Deutschlan­d sei damit der drittgrößt­e Geldgeber. Allerdings ist es auch einer der bedeutends­ten Rüstungsex­porteure nach Saudi-Arabien und in die Vereinigte­n Arabischen Emirate, deren Armee ebenfalls am Jemen-Krieg beteiligt ist. Die Bundesregi­erung hat mehrmals erklärt, dass sie keinen Einfluss darauf hat, wie und wo die gelieferte­n Rüstungsgü­ter eingesetzt werden.

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Foto: AFP Eine Seltenheit im leidgeprüf­ten Jemen am Montag: In Sanaa ist eine Mehl-, Reis- und Zuckerlief­erung einer wohltätige­n arabischen Organisati­on eingetroff­en.

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