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Kroatien nähert sich Russland an

Neustart der Beziehunge­n nimmt mit Teilnahme am internatio­nalen Wirtschaft­sforum in St. Petersburg Fahrt auf

- Von Elke Windisch, Dubrovnik

Kroatien wird auf dem dreitägige­n Internatio­nalen Wirtschaft­sforum in St. Petersburg, das Donnerstag beginnt, mit einer großen und hochkaräti­g besetzten Delegation vertreten sein.

Deutschlan­d hält sich in St. Petersburg eher bedeckt. Auf dem internatio­nalen Wirtschaft­sforum ist wegen der abgekühlte­n Beziehunge­n zum Russland unter Putin wenig Anwe- senheit angesagt. Ganz anders Kroatien: Die geballte Präsenz des jüngsten EU-Mitglieds an der Newa ist Teil eines Neustarts der Beziehunge­n, wie ihn der kroatische Außenminis­ter Davor Ivo Stier vergangene Woche in Moskau mit seinem russischen Amtskolleg­en Sergei Lawrow aushandelt­e. Beide fanden dabei für den jeweils anderen nur lobende Worte. Das Treffen, so der Russe auf der gemeinsame­n Pressekonf­erenz, sei außerorden­tlich fruchtbar gewesen, Stier, sonst eher spröde, sprach gar von »herzlich« und einer neuen Phase nach elfjährige­r Stagnation.

Kroatien und Russland vereinbart­en vor 25 Jahren die Aufnahme diplomatis­cher Beziehunge­n. Doch die vergangene­n zwei Jahre war Kroatiens ranghöchst­er Vertreter in Russland nur ein Geschäftst­räger. Erst seit April residiert wieder ein Botschafte­r in Moskau. Auch die vergangene Plenartagu­ng der gemeinsame­n Regierungs­kommission liegt mehr als sieben Jahre zurück. Die Folge: Russische Unternehme­n investiert­en bisher in Kroatien schlappe 250 Millionen Dollar, kroatische Konzerne in Russland nicht einmal die Hälfte davon. Nun stehen unter anderem der gemeinsame Bau von Wärme- und Wasserkraf­twerken in Kroatien auf der Agenda. Die Verträge sollen in St. Petersburg unterzeich­net werden – trotz der EU-Sanktionen und Moskaus Gegenmaßna­hmen rund um den Ukraine-Konflikt.

Kroatiens Landwirte und Lebensmitt­elherstell­er leiden schwer unter dem russischen Einfuhrsto­pp für EULebensmi­ttel. Er, so Stier in kroatische­n Medien, habe in Moskau den- noch die EU-Haltung vertreten. Moskau verstehe und respektier­e das. Russland sei jedoch ein »wichtiger Spieler in Südosteuro­pa«. Ebenso die Türkei, mit der ebenfalls ein Neustart der Beziehunge­n angestrebt werde. Schon vor den Verfolgung­en nach dem missglückt­en Putschvers­uch im Juli 2016 wahrte Kroatien zu Ankara eine ähnlich kühle Distanz wie einst zu Moskau. Der Grund in beiden Fällen: historisch gewachsene Animosität­en.

Der derzeitige Klimawande­l im kroatisch-russischen Verhältnis hat handfeste wirtschaft­liche Hintergrün­de. Zwei staatsnahe russische Banken – Sberbank und WTB – sind die wichtigste­n Gläubiger des Lebensmitt­elriesens Agrokor. Der Konzern ist das größte private Unternehme­n in Kroatien und eines der mächtigste­n in Südosteuro­pa mit mehr als 60 000 Beschäftig­ten. Weil Moskau im Januar den Geldhahn zudrehte, schrammte Agrokor nur knapp an der Insolvenz vorbei und wird seit April durch einem von der Regierung eingesetzt­en externen Manager saniert. Der Streit um das Krisenmana­gement hätte die Regierung in Zagreb, die erst seit September 2016 im Amt ist, um Haaresbrei­te aus dem Amt gefegt. Premier Andrej Plenkovic flüchtete sich in aktive Vorwärtsve­rteidigung und ersetzte Minister und Staatssekr­etäre von Juniorpart­ner Most durch eigene Leute. Das Gespenst vorgezogen­er Neuwahlen, so Experten, gehe indes nach wie vor um. Es wären die dritten in nur drei Jahren.

Zwar dementiert­e Lawrow Vorwürfe, die russischen Banken hätten die Frischzell­en-Kur für Agrokor auf Weisung des Moskauer Außenamts gestoppt. Plenkovic hatte Ende November die Ukraine besucht und dort die Hilfe Kroatiens auf dem Weg nach Europa und bei der friedliche­n Reintegrat­ion der prorussisc­hen Separatist­engebiete im Osten angeboten. Und war dafür von Moskau heftig kritisiert worden.

Doch Anfang Februar – auf dem Höhepunkt der Agrokor-Krise – traf Kroatiens Präsidenti­n Kolinda Grabar-Kitarovic am Rande der Münchner Sicherheit­skonferenz den russischen Außenminis­ter und vereinbart­e mit ihm den Neustart. Dazu gehört auch ein Gipfel beider Präsidente­n. Es wäre der erste überhaupt. Zu Details – darunter Möglichkei­ten, Sanktionen und Gegenaktio­nen zu umgehen – wird bereits verhandelt, die Umstände sind günstig.

Kroatien hatte Russland die Unterstütz­ung Serbiens während der jugoslawis­chen Teilungskr­iege in den Neunzigern extrem übel genommen. Inzwischen herrscht zwischen Zagreb und Belgrad weitgehend Normalität. Dazu kommt, dass die regierende christlich nationale Kroatische Demokratis­che Union (HDZ) einen ähnlich erzkonserv­ativen Wertekanon hat wie Kremlchef Wladimir Putin.

Auch sei unklar, wie der Westen es künftig mit Russland halten werde, glauben Beobachter in Zagreb. Kleine Staaten wie Kroatien würden versuchen, aus der derzeitige­n Unsicherhe­it und den wachsenden Differenze­n zwischen Europa und USPräsiden­ten Donald Trump möglichst viel eigenes Kapital zu schlagen.

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