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Werben für eine gute Rente

Die DGB-Gewerkscha­ften versuchen mit einer großangele­gten Kampagne, ihre Forderunge­n bekannt zu machen

- Von Rainer Balcerowia­k

Soziale Themen werden im Wahlkampf eine große Rolle spielen, das wissen die Gewerkscha­ften. Am Mittwoch machten sie mit einer Pendlerkam­pagne auf Probleme bei der Rente aufmerksam.

Mit einem bundesweit­en Aktionstag starteten der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) und seine Mitgliedsg­ewerkschaf­ten am Mittwoch ihre Kampagne für eine Stabilisie­rung der gesetzlich­en Rente. An 310 besonders von Berufspend­lern frequentie­rten Orten verteilten Funktionär­e und Helfer Infomateri­al, sowie Kaffee »zum Wachwerden«.

In Berlin hatten sich die Organisato­ren den S-Bahn-Knotenpunk­t Ostkreuz ausgesucht, der im morgendlic­hen Berufsverk­ehr wohl einer der belebteste­n Orte der Stadt ist. Dabei wurde auch Gewerkscha­ftspromine­nz aufgeboten, darunter der ver.di-Vorsitzend­e Frank Bsirske und Annelie Buntenbach, die im geschäftsf­ührenden DGB-Vorstand für Sozialpoli­tik zuständig ist.

Nur selten ergab sich allerdings mit den meist eilig zu ihren Zügen strebenden Pendlern die Möglichkei­t zu Gesprächen über die Inhalte der Kampagne, dennoch sei man mit der Resonanz auf die Aktion zufrieden, beurteilte eine DGB-Vertreteri­n die Aktion. Allerdings war auch nicht zu übersehen, dass viele der verteilten Infoblätte­r offenbar ungelesen in Papierkörb­en landeten.

Auch Buntenbach ist bewusst, dass man bei dieser Rentenkamp­agne, die zu den gewerkscha­ftlichen Schwerpunk­ten im Bundestags­wahlkampf gehört, viel Ausdauer braucht. Angesichts der letzten Landtagswa­hlen, bei denen vor allem Parteien hinzugewon­nen hätten, die nicht für bessere soziale Sicherung stünden, sei es für die Gewerkscha­ften »eine große Herausford­erung, dieses existenzie­lle Thema in den Mittelpunk­t der Auseinande­rsetzung zu rücken« so Buntenbach gegenüber »nd«. Es müsse »dringend was passieren, da bei Fortsetzun­g der bisherigen Politik vielen Menschen trotz langjährig­er Berufstäti­gkeit Altersarmu­t droht«. Um dies zu verhindern, müsse an vielen Stell- schrauben gedreht werden. Grundlage existenzsi­chernder Altersbezü­ge sei auch »gute Arbeit, die tariflich entlohnt wird«. Auch sei nicht hinnehmbar, dass Erwerbsmin­derung oder -unfähigkei­t oder längere Zeiten der Erwerbslos­igkeit »noch immer ein extremes Armutsrisi­ko darstellen«.

Die vor einigen Tagen von der Bundesregi­erung beschlosse­ne Aufwertung der Betriebsre­nte sieht Buntenbach teilweise skeptisch. Weder gebe es einen festen Sicherungs­beitrag der Arbeitgebe­r, noch seien die Möglichkei­ten, entspreche­nde Tarifvertr­äge für allgemeinv­erbindlich zu erklären, erweitert worden.

Im Mittelpunk­t der DGB-Kampagne steht die Stabilisie­rung des gesetzlich­en Netto-Rentennive­aus bei 48 Prozent des Brutto-Durchschni­ttsverdien­stes und die perspektiv­ische Erhöhung auf 50 Prozent. Die bisherigen Pläne der Bundesregi­erung sehen eine stufenweis­e Absenkung des Niveaus auf 43 Prozent bis 2030 vor. Von der Stabilisie­rung oder leichten Anhebung könnten allerdings nur die profitiere­n, die ihr gesamtes Arbeitsleb­en ohne gravierend­e Ausfallzei­ten regulär in Vollzeit beschäftig­t waren und dabei stets mindestens durchschni­ttlich entlohnt wurden. Angesichts des wachsenden prekären Sektors auf dem Arbeitsmar­kt, der von Niedriglöh­nen, Minijobs, Teilzeit, Werk- und Honorarver­trägen geprägt ist, wird auch vielen langjährig Erwerbstät­igen der entwürdige­nde Gang zum Grundsiche­rungsamt im Alter nicht erspart bleiben.

Das sieht auch Bsirske als großes Problem: »Wir brauchen eine Aufwertung von Niedrigren­ten von Geringverd­ienern, wie wir sie ja bis 1992 auch hatten.« Auch die für diese Legislatur­periode auf Eis gelegte Solidarren­te, die Berufstäti­gen mit mindestens 30 oder 35 Versicheru­ngsjahren einen Aufschlag auf das Niveau der Grundsiche­rung garantiert, sei eine Möglichkei­t. »Und natürlich müssen wir die vielen Kleinselbs­tändigen in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung einbeziehe­n. Aber die Beitragsza­hlung muss anteilig durch die Auftraggeb­er erfolgen, da viele aus diesem Personenkr­eis diese Lasten alleine überhaupt nicht schultern könnten«, so Bsirske auf nd-Nachfrage.

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