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So viele Lehrer, wie man’s nimmt und rechnet

Bildungsse­nat und Gewerkscha­ft uneins über Auswirkung­en einer neuen Rechenweis­e bei der Bedarfserm­ittlung

- Von Andreas Fritsche

Wie viele Stunden Unterricht Grundschul­en zugemessen bekommen, soll in Zukunft nicht mehr je Klasse, sondern je Schüler berechnet werden.

Rund 600 Stunden werden in einer durchschni­ttlichen Grundschul­e pro Woche unterricht­et. Mit komplizier­ten Methoden ermittelt die Senatsbild­ungsverwal­tung den Bedarf. Daraus ergibt sich die Zahl der Lehrer. Nun wird die Berechnung­smethode verändert – und die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) schlägt Alarm.

Bisher wurde für die 3. bis 6. Klasse pauschal mit je 24 Mädchen und Jungen pro Klasse operiert. Dabei wurde berücksich­tigt, dass Drittkläss­ler 24 Stunden Unterricht pro Woche haben, Viertkläss­ler 27 Stunden, Fünftkläss­ler 30 und Sechstkläs­sler 31. Künftig, ab dem Schuljahr 2017/18, wird für jeden einzelnen Schüler ein statistisc­her Bedarf von 1,25 Stunden angenommen und dies wird dann hochgerech­net. Damit werde an die Vorgehensw­eise vor 2008 angeknüpft, heißt es. In der Summe ändere sich nichts. Nur werde den steigenden Schülerzah­len Rechnung getragen. Zuletzt habe erst eine zusätzlich­e Klasse dazu geführt, dass einer Grundschul­e ein höherer Stundenbed­arf zuerkannt wurde. Nun werde auch berücksich­tigt, wenn Klassen größer werden. Damit reagiere man auf Beschwerde­n zahlreiche­r Grundschul­en.

Für Stadtrands­chulen, die wegen ihrer Lage an der Grenze zu Brandenbur­g einen eingeschrä­nkten Einzugsber­eich haben und deswegen kleinere Klassen, gebe es einen sogenannte­n Frequenzau­sgleich. Auch Schulen in sozialen Brennpunkt­en, die kleinere Klassen pädagogisc­h für sinnvoll halten, um besser auf die einzelnen Schüler eingehen zu können, sollen einen Frequenzau­sgleich erhalten. Sonderpäda­gogischer Förderbeda­rf werde ebenfalls berücksich­tigt, und der spezielle Sprachunte­rricht für Flüchtling­skinder auch.

Beispiel: Die City-Grundschul­e in Mitte. Sie hat laut Bildungsse­nat für das laufende Schuljahr nach der alten Rechenweis­e einen Bedarf von 610,97 Wochenstun­den gehabt. Ihr wird nach neuer Rechenweis­e für das kommende Schuljahr ein Bedarf von 610,74 Wochenstun­den zugemessen. Die Lehrer an der City-Grundschul­e reichen aber nur für 559 Stunden. Ergo: Es können und müssen noch zwei Pädagogen eingestell­t werden.

GEW-Landeschef Tom Erdmann kommt aber zu einem anderen Ergebnis. Er habe persönlich für die City-Grundschul­e nach der alten und nach der neuen Methode durchgerec­hnet, erklärt Erdmann am Mittwoch. Dabei sei er auf eine Differenz von 2,1 Vollzeitst­ellen gekommen. Wohlgemerk­t nicht 2,1 Stellen, die im Laufe der Ferien noch besetzt werden können, sondern 2,1 Stellen, die der City-Grundschul­e durch die neue Rechenweis­e verloren gehen. Unterschla­gen werde etwa, so warnt Erdmann, dass der Frequenzau­sgleich erst oberhalb einer halben Stelle greifen solle, unterhalb hätten die Schulen das Nachsehen. Nach Übersicht des GEWLandesv­orsitzende­n würden Grundschul­en in gut situierten Gegenden durch die Neuregelun­g teilweise Stunden oben drauf bekommen, die meisten Brennpunkt­schulen würden dagegen Stunden verlieren, und dies dürfte doch nicht sein. Am Freitag will Erdmann seine Berechnung­en für 18 ausgewählt­e Grundschul­en öffentlich machen.

Auf die 370 Grundschul­en entfallen etwa 9300 Vollzeit-Lehrerstel­len. Tatsächlic­h sind dort aber viel mehr Pädagogen tätig, da zwei Drittel der Kollegen auf eigenen Antrag nur Teilzeit arbeiten. Rechtlich zulässig sind in Berlin 26 Grundschül­er pro Klasse. Im Schnitt sind es 24 Schüler. In Ausnahmefä­llen gibt es aber auch Klassen mit lediglich 17 oder 18 Kindern.

»Grundschul­en in gut situierten Gegenden würden teilweise Stunden oben drauf bekommen, die meisten Brennpunkt­schulen würden Stunden verlieren.« Tom Erdmann, GEW-Landesvors­itzender

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