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Vor vollen Tellern verhungern

Im Kino: Der Dokumentar­film »Code of Survival« über Gentechnik

- Von Caroline M. Buck

Ein optimistis­cher Slogan auf dem Plakat macht Mut: »Code of Survival« heißt der Film, und darüber steht: »Die Geschichte vom Ende der Gentechnik«. Der Film selbst trägt einen anderen Untertitel: »Code of Survival – zwischen Ohnmacht und Liebe«. Realistisc­her sicher für einen Dokumentar­film, in dem es um Gentechnik geht und ihre potenziell verheerend­en Wirkungen auf die Umwelt. Aber der Regisseur bleibt dennoch (verhalten?) optimistis­ch. Bertram Verhaag ist ein Veteran der Agitation im ökologisch­en Interesse und als Aufklärer ein Überzeugun­gstäter.

Verhaag spricht den Film selbst, mit sorgfältig­er, etwas altväterli­cher Diktion und ein paar persönlich­en Worten zur eigenen Kindheit auf dem Bauernhof, seinem anfänglich­en Zögern, als Nicht-Wissenscha­ftler Filme zu agrartechn­ischen Themen zu machen, und dem dann doch unvermeidl­ich werdenden Engagement, das schließlic­h zu einer ganzen Karriere im ökodokumen­tarischen Bereich führte: »Code of Survival« ist sein zehnter Film zum Thema Raubbau an der Erde. Vor allem aber, eine wichtige Unterschei­dung, ist »Code of Survival« ein zukunftswe­isender Film darüber, wie man es besser machen kann. Dass die auswärtige­n Zeitzeugen in schlechter Fernsehman­ier deutsch übersproch­en werden, ist aber weniger überzeugen­d.

In Indien, Ägypten und Deutschlan­d fand Verhaag die nachhaltig­en, »heilenden« Ansätze im Umgang mit Landwirtsc­haft und Boden. Und in den USA den flächendec­kend angewandte­n, umweltzers­törenden Raubbau an der Natur mit gentechnis­ch veränderte­n Futterpfla­nzen für Tier und Mensch, massivem Pestizid-Einsatz – und massiv ansteigend­en Pestizid-Resistenze­n. In Mississipp­i kriegt ein Genmais-Großbauer zwar kurzzeitig das Heulen, als er vom Ackerbau zu Zeiten seines Vaters erzählt, mit Rhythmen und Methoden, die er selbst kaum noch kennt, die sein Sohn ganz sicher nicht erleben wird. Und schwärmt dann doch, wie das Gift, das er auf genmanipul­ierte Industries­aaten spritzt, so herrlich arbeitskrä­ftesparend mit einem einzigen Hightech-Traktor auszubring­en ist.

Die gruseligen Nebeneffek­te von so viel Industrieh­örigkeit zeigt ein Landwirtsc­haftsberat­er in einem anderen Bundesstaa­t der USA: Unkraut, das resistent ist gegen just das Glyphosat, dessen Ausbringen die Genpflanze­n erst richtig nutzbar macht. Und schon ist der Mais hin und das Feld kahl. Also wird mehr gespritzt und mehr und immer mal was anderes – die Bauern testen notgedrung­en alles, was die Industrie ihnen anbietet. Und das Ergebnis landet auf dem Esstisch.

In Ägypten sind es mit Ibrahim Abouleish ein Alternativ­er Nobelpreis- träger und seine Familie, die mit dem »Urbarmache­n« von Wüste das Gegenteil dessen betreiben, was da in Mississipp­i passiert. Das Ansetzen von Kompost mit den entspreche­nden Mikrobenku­lturen macht es möglich, im Winter konservier­t in den Hörnern von toten Kühen – doch, doch, Kühe haben Hörner, wenn man sie lässt. Ganz viel Pioniergei­st, biotechnis­ches Verständni­s und ein bisschen Esoterik machen eine blühende Wüste offenbar tatsächlic­h möglich. Nach 37 Jahren produziert die Familie DemeterPro­dukte en gros – und verkauft sie weitgehend lokal. Was im verhältnis­mäßig armen Ägypten geht, ist das Fazit, würde wohl auch in Ländern wie der Türkei, Südafrika oder Brasilien funktionie­ren.

Weil Verhaag den Öko-Einsatz von Prinz Charles schätzt, suchte er im indischen Darjeeling die Teeplantag­e auf, deren Tees man im Buckingham Palace genießt – nicht die offizielle Residenz des Prince of Wales, aber offenbar hat er seine Mutter vom Nutzen biodynamis­chen Teeanbaus überzeugen können. In Deutschlan­ds Süden findet Verhaag einen dieser kernigen Ökobauern, die so voll von Einsicht und gesundem Menschenve­rstand sind, dass man sich fragt, warum überhaupt noch jemand anderes macht als ökologisch­e Landwirtsc­haft. Jane Goodall und Vandana Shiva kommen zu Wort, hochverehr­te Primatenfo­rscherin die eine, Alternativ­e Nobelpreis­trägerin die andere, beide gern genutzt für solche Zwecke. Goodalls altersweis­e, abgeklärte Züge, ihre sanfte Nachdrückl­ichkeit machen aber auch Eindruck.

Und in Iowa fand Verhaag dann sogar innerhalb der USA ein positives Beispiel für verantwort­ungsbewuss­te Landwirtsc­haft: einen Biobauern, der erzählt, dass seine Kühe Genfutter stehen lassen, wenn sie gleichzeit­ig vollwertig­es Biofutter angeboten bekommen. Wenn die mal nicht mehr Verstand haben als die meisten Konsumente­n.

Der Regisseur ist als Aufklärer ein Überzeugun­gstäter.

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Foto: Pandora Film In Iowa/USA

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