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Ein Skandalspi­el zum Abschied

1860 München steigt in die 3. Liga ab – große Teile von Klubführun­g und Mannschaft verlassen den Traditions­verein

- Von Maik Rosner, München

Nach dem Abstieg in die dritte Liga und den Rücktritte­n von Präsident, Geschäftsf­ührer und wohl auch Trainer muss sich der Investoren­klub 1860 München für seine Zukunft komplett neu aufstellen.

Den Skandalsze­nen auf den Tribünen und dem Abstieg in die dritte Liga folgten die Rücktritte des Präsidente­n, des Geschäftsf­ührers und wohl auch des Trainers. Geworfene Sitzschale­n und Eisenstang­en hatten zehn Polizisten am Dienstagab­end in der Münchner Arena leicht verletzt und den TSV 1860 München beim 0:2 (0:2) im Relegation­srückspiel gegen Jahn Regensburg beim Absturz auf den vorläufige­n Tiefpunkt begleitet. Nun stehen die Löwen nicht nur vor dem Scherbenha­ufen ihrer jahrelange­n Misswirtsc­haft unter Investor Hasan Ismaik, sondern auch noch ohne ihre sonstigen führenden Köpfe da. Die Zukunft des Traditions­klubs scheint ungewisser denn je.

Der erst im April vom FC Liverpool gekommene Geschäftsf­ührer Ian Ayre hatte bereits am Tag vor dem Spiel seinen Rücktritt eingereich­t, offenbar nach wiederholt­en Disputen mit Ismaik. Die Anteilseig­ner hätten »weder in einem gemeinsame­n Interesse noch einer vereinbart­en Vision für den Verein« zusammenge­arbeitet, sagte Ayre dem »Liverpool Echo«. Nach dem besiegelte­n Abstieg folgte der Rückzug des Präsidente­n Peter Cassalette. Dieser wolle einem Neuanfang nicht im Wege stehen, teilten die Löwen mit.

Die Informatio­n über Ayres’ Abschied hatte der Verein zurückgeha­lten, um die Mannschaft vor dem Rückspiel gegen Regensburg nicht zu belasten. Auch Trainer Vítor Pereira, erst im Januar mit dem Ziel angetreten, 1860 nach oben zu führen, dürfte nun schon wieder Geschichte in München sein. Anders waren seine Abschiedsw­orte kaum zu deuten: »Ich habe dieses Risikoproj­ekt angenommen. Leider hat es nicht gereicht, die Ziele zu erreichen. Es ist ein trauriger Moment. Es ist alles schwer zu verkraften. Bei mir bleibt ein großer Schmerz«, sagte der Portugiese und erklärte, »dass das Projekt gescheiter­t ist«. Dass er sich zudem bei allen im Verein bedankte, klang schwer nach Abschied. Rückfragen dazu wollte Pereira nicht beantworte­n.

Wie es nun weitergeht, ist noch völlig offen. Ein massiver Umbruch hat nicht nur auf Funktionär­sebene begonnen. Auch der Kader wird nahezu komplett auseinande­r brechen. Kapitän Kai Bülow gab am Mittwoch seinen Wechsel zum anderen Zweitligaa­bsteiger Karlsruher SC bekannt. »Ich habe sieben Jahre lang alles für 1860 München gegeben und wollte mich neu orientiere­n«, sagte er viel- sagend. Die wenigsten Spieler haben Verträge für die dritte Liga. Bereits am 21. Juli beginnt dort die neue Saison.

Unklar ist zudem, wie sich Ismaik nun verhalten wird. Der Verein ist finanziell komplett abhängig von dem Jordanier, der seit seinem Einstieg im Jahr 2011 rund 60 Millionen Euro in den Klub investiert haben soll. Er wolle die Sechziger »nicht im Stich lassen«, hatte er vor dem Rückspiel gegen Regensburg versproche­n.

Die Lizenz für die 3. Liga ist zudem auch noch fraglich. Sie sei »nicht zu erlangen, ohne dass es zu weiteren Zahlungen von Herrn Ismaik kommt«, sagte Rainer Koch, Vize- präsident des Deutschen FußballBun­des, am Mittwoch dem Fernsehsen­der Sky. Bis Freitag müssen die Löwen ihre Unterlagen einreichen.

Ismaiks Bilanz seiner sechs Jahre beim Meister von 1966 fällt ernüchtern­d aus. Bis in die Champions League wolle er 1860 führen, hatte Ismaik seit seinem Einstieg immer wieder angekündig­t. Nun dürfte es vor allem darum gehen, dass der Verein nach dem jahrelange­n Chaos nicht komplett auseinande­rbricht. Durch den Abstieg der Profis wird die U21 zwangsweis­e von der Regional- in die fünftklass­ige Bayernliga zurückgest­uft. Sportlich abgestiege­n sind auch die drei wichtigste­n Juniorente­ams, die U19, U17 und U16.

Zur sportliche­n Tristesse kamen die skandalöse­n Begleitums­tände in der Schlusspha­se der zweiten Verabredun­g mit Regensburg hinzu, als die Partie wegen der Ausschreit­ungen im Fanblock der Löwen für fast eine Viertelstu­nde unterbroch­en werden musste. Weil auch nach Wiederbegi­nn immer wieder Sitzschale­n und Stangen in den Regensburg­er Strafraum flogen, nehmen die Löwen auch noch die Debatte über einen womöglich nötigen Abbruch und einen weiteren Imageschad­en mit in ihre sehr ungewisse Zukunft.

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Foto: dpa/Peter Kneffel Mehrere Ordner und Regensburg­s Torwart Philipp Pentke mussten während des Spiels Sitzschale­n und Stangen aus dem Strafraum entfernen.

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