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Auf die lange Bank geschoben

Bundestag beschließt trotz Kritik von Opposition und Experten die Rentenangl­eichung bis 2025

- Von Fabian Lambeck

Mehr als sieben Jahre müssen die Ostdeutsch­en noch auf die Angleichun­g des Rentenwert­es warten. Das Parlament winkte am Donnerstag den entspreche­nden Entwurf der Bundesregi­erung durch. Im Wahljahr 2017 ist möglich, was lange undenkbar schien. Selbst die Renteneinh­eit soll nun vollzogen werden. Am Donnerstag beschäftig­te sich der Bundestag mit dem schwarz-roten Entwurf zu einem »Rentenüber­leitungs-Abschlussg­esetz«. 27 Jahre nach dem Beitritt der DDR soll der Rentenwert Ost in sieben Schritten auf Westniveau steigen. Ab 2025 wird die Rente dann in ganz Deutschlan­d einheitlic­h berechnet werden. So zumindest der Plan. Doch bei der Debatte am Donnerstag meldete die Opposition dringenden Nachbesser­ungsbedarf an. »Warum denn jetzt noch mal acht Jahre warten«, fragte die arbeitsmar­ktpolitisc­he Sprecherin der Linksfrakt­ion, Sabine Zimmermann, mit Blick auf die schrittwei­se Anhebung des Rentenwert­s, die sich über sieben Jahre ziehen soll. Zudem sei es für die LINKE nicht akzeptabel, dass die Hochwertun­g bzw. Umrechnung der Ost-Löhne ersatzlos gestrichen werden soll. »Im Osten verdienen Vollzeitbe­schäftigte immer noch 24 Prozent weniger als im Westen des Landes«, so Zimmermann. Tatsächlic­h gibt es bei den Tariflöhne­n kaum noch Unterschie­de, da jedoch mehr als die Hälfte aller Ostdeutsch­en ohne Tarifvertr­ag arbeitet, schließt sich die Lohnlücke in vielen Branchen nicht. »Der Umrechnung­sfaktor für die OstLöhne hat eine wichtige sozialpoli­tische Ausgleichs­funktion«, betonte Zimmermann.

Staatssekr­etärin Gabriele Lösekrug-Möller, die den Gesetzentw­urf von Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) im Parlament verteidigt­e, sah keine großen Lohnunters­chiede mehr zwischen Ost und West. Deutlichst­es Indiz sei der sich annähernde Rentenwert. Gute Löhne und hohe Tarifbindu­ng seien Voraussetz­ung für gute Renten. »Dafür setzen wir uns heute ein«, so Lösekrug-Möller und wischte alle Bedenken beiseite.

Dabei ging die Staatssekr­etärin auch über Kritik aus den eigenen Reihen hinweg. So plädierte die SPD-nahe Arbeiterwo­hlfahrt (AWO) bei einer Bundestags­anhörung Mitte Mai dafür, den Rentenwert statt in sieben in nur zwei Schritten anzuheben. Die vorgesehen­e schrittwei­se Erhöhung sieht ein Plus von jeweils 0,7 Prozent pro Jahr vor. Diese geringe Steigerung könnte dazu führen, dass der Rentenwert Ost nach der derzeitige­n Anpassungs­formel höher ausfällt »als nach der für diesen Stichtag im Gesetzentw­urf vorgeschla­genen ersten Angleichun­gsstufe«, so die AWO. Nahles Planungen sehen vor, dass der Wert zum 1. Juli 2018 auf 95,8 Prozent steigt. Doch aufgrund der guten Konjunktur klettert der Rentenwert bereits zum 1. Juli 2017 von 94,1 auf 95,7 Prozent. Somit steigt der Wert nach der derzeit gültigen Regelung schneller, als nach der neuen Formel, die Nahles gesetzlich festschrei­ben will.

Auch der Sozialstat­istiker Eckart Bomsdorf erkannte hier Versäumnis­se im Entwurf, die zu einer »Verschlech­terung« für Ost-Rentner führen könnten. Doch statt auf die durchaus fundierte Kritik einzugehen, feierten sich die Abgeordnet­en von Union und SPD am Donnerstag für die Herstellun­g der Renteneinh­eit und verabschie­dete den Entwurf mit ihrer Mehrheit im Plenum.

Dass die Renteneinh­eit noch lange nicht abgeschlos­sen ist, zeigt ein Antrag, den die LINKE zusätzlich eingebrach­t hatte und der die Bundesregi­erung auffordert­e, ein »Entschädig­ungssystem zur Ergänzung der Renten von in der DDR geschieden­en Frauen« einzuricht­en. Dabei konnte sich die LINKE auch auf Unterstütz­ung der Vereinten Nationen berufen. Der UN-Ausschuss für die Beseitigun­g der Diskrimini­erung der Frau hatte sich bei seiner 66. Sitzung im Februar 2017 besorgt gezeigt, dass es in Deutschlan­d bislang keine staatliche Ausgleichs­regelung für die betroffene­n Frauen gibt.

In der DDR geschieden­e Frauen waren nicht auf einen Versorgung­sausgleich angewiesen, weil es für sie vorteilhaf­te Reglungen gab. Bei der Rentenüber­leitung nach der Wende »vergaß« man diese, mehrere Hunderttau­send Frauen umfassende Gruppe. »Es ist ein unhaltbare­r Zustand, dass heute mehr als die Hälfte der in der DDR geschieden­en Frauen in Armut lebt«, kritisiert­e die Ost-Koordinato­rin der Linkfrakti­on, Susanna Karawanski­j am Donnerstag gegenüber »nd«. »Viele Regelungen, die die geschieden­en Frauen begünstigt­en, wie die freiwillig­en Beiträge und Anwartscha­ftsgebühre­n oder auch die Versicheru­ng für mithelfend­e Familienan­gehörige«, seien einfach fallen gelassen worden, so Karawanski­j. Doch geschieden­e ostdeutsch­e Frauen haben keine Lobby in der Bundesregi­erung. Dabei müsste die Regierungs­chefin doch Verständni­s haben, schließlic­h ließ sich die DDRBürgeri­n Angela Merkel im Jahre 1982 scheiden. Natürlich ohne Versorgung­sausgleich.

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Foto: photocase/unknown

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