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Auch ungeborene Schafe schützen

Niedersach­sens Agrarminis­ter und Mitstreite­r im Bund wollen Schlachtve­rbot ausweiten

- Von Hagen Jung

Das vom Bundestag beschlosse­ne Verbot, trächtige Schweine und Rinder zu schlachten, will Niedersach­sens Agrarminis­ter auf Schafe und Ziegen erweitert sehen. Möglich wäre das über den Bundesrat. Qualvoll ersticken ungeborene Kälbchen im Mutterleib, wenn die Kuh der Bolzenschu­ss trifft oder das Messer des Metzgers sie tötet. Um solch ein Leiden künftig zu verhindern, hatte der Bundestag vor kurzem ein Gesetz beschlosse­n, das besagt: Im letzten Drittel ihrer Trächtigke­it dürfen Säugetiere nicht geschlacht­et werden. Schafe und Ziegen aber sind ausgenomme­n von jenem Verbot, da es weiterer Erkenntnis­se zu ihrer Haltung bedürfe, wie es hieß.

Nun soll jenes Gesetz am Freitag den Bundesrat passieren. Dort jedoch wird es Widerspruc­h geben: Von Niedersach­sens Agrarminis­ter Christian Meyer (Grüne), der sich besonders gegen die Ausnahmere­gelung eingesetzt hat, und auch von weiteren Mitglieder­n des Agraraussc­husses. In ei- ner Entschließ­ung bemängelt jenes Gremium den im Bundesrat zur Debatte stehenden Gesetzeste­xt. Der Ausschuss will ein Schlachtve­rbot, dass auch kleinere tragende Tiere berücksich­tigt. Ausnahmen dürfe es nur im Fall von Tierseuche­n geben.

Christian Meyer hatte sich schon im Herbst 2015 mit Fleischere­iunternehm­en, Tierschütz­ern und Organisati­onen der Landwirtsc­haft darauf geeinigt, dass Kühe in Niedersach­sen ab einem bestimmten Stadium der Trächtigke­it nicht mehr geschlacht­et werden dürfen. Das ungeborene Rind, so mahnte der Minister seinerzeit, ist nach Überzeugun­g von Experten schon etwa 100 Tage vor der Geburt schmerzemp­findlich. Zehn weitere Bundesländ­er unterstütz­ten Meyers Initiative, doch es sollte noch geraume Zeit dauern, bis dass die Sache im Bundestag landete.

Bei ihrer aktuellen Interventi­on im Bundesrat wissen Meyer und seine Mitstreite­r die Schaf- und Ziegenhalt­er hinter sich. Mehrere ihrer Berufsverb­ände, von der Wirtschaft­svereinigu­ng Deutsches Lammfleisc­h bis zum Verein der Schaf- und Ziegen- milcherzeu­ger, haben eine »bundesweit­e Erklärung« gegen die Schlachtun­g »tragender kleiner Wiederkäue­r« unterzeich­net und ihre Mitglieder zur Beachtung aufgeforde­rt. Es sei eine ethische Verpflicht­ung, ungebore- ne Tiere vor Leiden zu bewahren, betonen die Verfasser.

Auch der Deutsche Tierschutz­bund appelliert an die Politik, das Schlachten tragender Tiere grundsätzl­ich zu verbieten. Er zitiert eine Studie, der zufolge in Deutschlan­d rund zehn Prozent aller geschlacht­eten Milchkühe tragend waren, die meisten von ihnen bereits im mittleren oder letzten Trächtigke­itsdrittel. Geburten auf Viehtransp­ortern und Schlachthö­fen seien keine Einzelfäll­e, geben die Tierschütz­er zu bedenken. Oder aber das Kalb ver- bleibe während des Schlachtvo­rgangs im Mutterleib, gelange dann »sterbend in die anschließe­nde Schlachtab­fallverwer­tung«.

Müsse ein tragendes Tier aus vernünftig­em Grund getötet werden, etwa wegen einer schweren Verletzung, dann dürfe das nicht durch den Schlachter geschehen, mahnt der Tierschutz­bund. Anzuwenden sei vielmehr eine Injektion, die zugleich das Leben des ungeborene­n Tieres schmerzfre­i beendet. Die Probleme, die in punkto tragender Rinder zu beobachten seien, gebe es auch bei anderen landwirtsc­haftlich genutzten Tieren, weiß die Organisati­on. Sie trägt den Vorstoß derer mit, die im Bundesrat die Erweiterun­g des Schlachtve­rbotes auf Schafe und Ziegen anstreben.

Ob es dazu am Freitag schon einen Beschluss in der Länderkamm­er geben wird, ist fraglich. Es darf davon ausgegange­n werden, dass sich – wie in vielen strittigen Fällen zwischen Bundestag und Bundesrat – zunächst der Vermittlun­gsausschus­s beider Gremien mit dem Thema befassen wird.

Ob es am Freitag schon einen Beschluss in der Länderkamm­er geben wird, ist fraglich.

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